Wien - Beobachter lokaler Kunstszenen müssen warten können wie Naturfilmer. Es ist eine Pirsch, ein zähes Verharren an verdächtigen Orten. Bis dann eines Tages etwas passiert, das einschlägt oder gar überrascht. Nun war es wieder einmal so weit. Im Tanzquartier Wien zeigten Jungchoreografinnen marksteinartige Studio-Arbeiten und Saskia Hölbling brachte ein Frauen-Trio zur Uraufführung.

Dass die junge österreichische Choreografenszene einige viel versprechende Talente ausbrütet, ist ein offenes Geheimnis. Die verstärkte Investition der Stadt Wien in den Nachwuchs trägt zunehmend Früchte. Im Rahmen des "Turbo"-Programms für junge Künstler des Tanzhausnetzwerks IDEE präsentierte Gabri Einsiedl (labor G/H) eine dialogische Stimmchoreografie für die Bühne (Titel: (0)). Zu sehen: zwei von Theaterscheinwerfern beleuchtete Lautsprecherboxen. Zu hören: eine Frauenstimme, die über Möglichkeit und Unmöglichkeit des Abreisens reflektiert (Männerstimme als Echo).

Sinngebilde

Die Abwesenheit von Livedarstellern und der Tanz der zusammen mit Eduard Gabia komponierten Sounds, Wörter respektive Sinngebilde macht (0) zu einem radikalen Statement, wie es im Tanz seit Langem nicht mehr zu sehen war.

Doris Uhlich, bekannt als Kollaborateurin des theatercombinats, stellte ein Derivat aus ihrer ersten großen Ar- beit, insert eins/eskapade vor: 0033142553201. Eine blendendes Kleinformat, in dem es um die Repräsentation von Stummfilmgesten und um den kommunikationstechnischen Ausbruch aus dem Performanceraum geht. Uhlich arbeitet mit älteren Laiendarstellern, deren Präsenz sie mit der üppigen Blöße ihres jungen Körpers konfrontiert.

Scheinbar sinnlos

Nacktheit ist nur ein marginales Element in Saskia Hölblings F on a pale ground, einem Stück mit Heide Kinzelhofer, Moravia Naranjo und Valerie Roy Nigl. Drei ausgezeichnete Tänzerinnen tun scheinbar sinnlose Dinge auf einem sehr bleichen Boden. Gemeinsam mit ihrer Choreografin nehmen sie ein Spiel mit scheinbar Überflüssigem diszipliniert unernst. Überaus kontrolliert und detailreich operieren sie mit einem der wichtigsten Instrumentarien der Choreografie. Und das sind Handlungen, die aus den Rahmen der gesellschaftlichen Norm fallen.

Damit ist auch dieses Werk ausgesprochen politisch - als Geste der Opposition gegenüber den sich wieder straffenden Verhaltenskorsetten in unserer Effizienzgesellschaft. Die drei Tänzerinnen entwickeln Situationen, die sich wie kommunizierende Gefäße verbinden und riskieren dabei auch gewisse Entropien. Hölbling vermeidet hier viele der pathetischen Blockaden, mit denen sie die meisten ihrer vorangegangenen Stücke ruiniert hat. Wieder einmal zahlt sich ein Verzicht aus. (Helmut Ploebst/DER STANDARD, Printausgabe, 27./28.1.2007)