Wien - Die Österreichische Rektorenkonferenz (ÖRK) hat auf Basis der Studie "Hochschulzugang in Österreich" "Thesen zu einer Neuregelung des Hochschulzugangs für eine qualitative Weiterentwicklung der Studiensituation" formuliert, und diese heute, Montag, bei einer Tagung in Wien präsentiert. Im Folgenden die Thesen im Wortlaut:

"I. Die ÖRK geht bei ihren Vorschlägen für eine Neuregelung des Hochschulzugangs in Österreich von folgenden Werturteilen aus:

1. Hochschulbildung dient nicht nur der Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt, sondern hat darüber hinaus per se eine gesellschaftliche und kulturelle Funktion.

2. Aus gesellschaftspolitischen und aus wirtschaftlichen Gründen sollen in Österreich in Zukunft mehr junge Menschen ein Studium erfolgreich abschließen als dies gegenwärtig der Fall ist; eine Verknappung von Studienplätzen soll es daher nicht geben. Dabei ist besonderes Augenmerk nicht nur auf die Zahl der Studierenden, sondern noch viel mehr auf die Zahl der erfolgreichen Absolventen/innen, und damit auf die Reduktion der Drop-out-Raten zu legen.

3. Soziale Diskriminierungen beim Zugang zu höherer Bildung sind zu vermeiden. Das Bildungssystem soll insgesamt durchlässiger werden: Die Bildungsbeteiligung im tertiären Sektor ist zu steigern.

4. Die Studienbedingungen an Österreichs Universitäten müssen internationalen Qualitätsstandards genügen. Dies ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Ausbildung.

5. Die Verantwortung für eine ausreichende Zahl an - entsprechend ausfinanzierten - Studienplätzen liegt bei den politischen Entscheidungsträgern/innen.

6. Nationale Zugangsregelungen müssen mit internationalen, insbesondere europäischen Rahmenbedingungen kompatibel sein.

II. Daraus ergeben sich für eine Neugestaltung des Hochschulzugangs in Österreich folgende Überlegungen und Eckpunkte:

1. Die ÖRK tritt für ein Wachstum der Zahl der Akademiker/innen in Österreich ein.

2. Die ÖRK unterstützt Bestrebungen, bisher bildungsferne soziale Schichten stärker an die Universitäten zu bringen. Sie macht in diesem Zusammenhang insbesondere darauf aufmerksam, dass der stark selektive Charakter des Sekundarschulsystems einer der wichtigsten Hinderungsgründe ist, dieses Ziel besser als bisher zu erreichen. Erste Ansatzpunkte könnten in einer autonomen Weiterentwicklung der Studienberechtigungsprüfung durch die Universitäten und einer Reform bzw. eines Ausbaus des Stipendiensystems liegen.

3. Eine Ausweitung der Bildungsbeteiligung im tertiären Sektor darf nicht zu Lasten der Qualität der Ausbildung gehen. Adäquate Studienbedingungen sind zu sichern bzw. herzustellen. Die derzeitigen Kapazitäten sind in einer Reihe von Universitäten bzw. Studienrichtungen vor allem hinsichtlich der Betreuungsverhältnisse nach internationalen Maßstäben inakzeptabel. Mehr als die Hälfte der österreichischen Studierenden befinden sich in Fächern mit einer ungünstigen Betreuungsrelation; ein knappes Drittel in Fächern mit "extrem ungünstigen Betreuungsrelationen" (Hans Pechar).

4. Die ÖRK macht darauf aufmerksam, dass die Einlösung des politischen Versprechens, die Akademikerquote zu erhöhen, nur mit einer starken Steigerung der öffentlichen Ausgaben für Universitäten möglich sein wird. Nicht zuletzt aus diesem Grund verlangt die ÖRK rasche, entschlossene Schritte in Richtung einer Ausdehnung der Ausgaben für den tertiären Sektor auf 2 Prozent des BIP.

5. Wo und solange die Zahl der Studienbewerber/innen die vorhandenen Kapazitäten überschreitet und sich die öffentliche Hand zu einer Finanzierung von Kapazitätserweiterungen nicht bereit findet bzw. sich zu einer Studienplatzbeschränkung bekennt, ist den Universitäten das Recht zur Anwendung autonom gestalteter Auswahlverfahren zu geben. Auswahlverfahren haben sich dann an der Qualifikation der Bewerber/innen und an den vorhandenen Kapazitäten zu orientieren. Ein schematischer Numerus clausus wird von der ÖRK abgelehnt.

6. Zur Sicherstellung vertretbarer Studienbedingungen verlangt die ÖRK ausdrücklich die Festlegung von Ausbildungskapazitäten an den Universitäten und eine Finanzierung der Universitäten, die auf solche Kapazitäten abstellt (Studienplatzfinanzierung), ohne freilich das Prinzip der Globalbudgetierung in Frage zu stellen. Auf das Beispiel der Fachhochschulfinanzierung wird verwiesen, wobei an Universitäten zusätzlich Vorsorge für die Forschungsfinanzierung zu treffen ist.

7. Eine solche Kapazitätsfestlegung soll auf Basis eines Hochschulentwicklungsplans für den gesamten tertiären Sektor mit der Perspektive wachsender Kapazitäten und unter Berücksichtigung international anerkannter Maßstäbe sowie der Besonderheiten der einzelnen Studienrichtungen im Rahmen der Leistungsvereinbarungen zwischen Universitäten und bm:bwk erfolgen. Die Leistungsvereinbarungen sollten auf aggregierter Ebene Gesamtkapazitäten an Studienplätzen der einzelnen Universitäten definieren und für jene Bereiche, in denen Engpässe zu erwarten sind, Höchstgrenzen festlegen.

8. In einigen Studienrichtungen, z. B. im medizinischen Bereich, wird die Zahl der Studienplätze nicht allein durch die zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen bestimmt, vielmehr wirken auch andere Faktoren limitierend (Relation zur Zahl der Patienten/innen, Praxisplätze, etc.). Dies ist bei der Festlegung von Kapazitäten zu berücksichtigen.

9. Aus Gründen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ist für Master- und Doktorats- bzw. PhD-Studien der Universitäten generell das Recht einzuräumen, eine Auswahl nach Qualifikation vorzunehmen. Die jeweiligen Kriterien werden von den Universitäten autonom festgelegt.

10. Die Universitäten sind in der konkreten Ausgestaltung von Auswahlverfahren frei, sie werden jedoch eine organisatorische Abstimmung vornehmen, wo dies sinnvoll und möglich ist." (APA)