Das Ensemble der "Junk Space"-Produktion übt Wohlfühlhaltungen: Sind wir Konsumisten, Seminarteilnehmer oder gar Systemidioten?

Foto: Moritz Wustinger
Wien - Sobald die schöne neue Wirtschaftswelt von ihren leider unvermeidlichen "Störfällen" berichtet, wird sie - die sich sonst die Berechnung "externer" Kosten angelegen sein lässt - auf den Humanfaktor zurückgeworfen.

Menschen - das sind in den raffinierten Text- und Dialogkonvoluten Kathrin Rögglas bloß noch die Schnittflächen in einem Feld aus komplizierten Interaktionen, die alle Beteiligten an die unsichtbare Leine legen.

Laufstegetüde

Man könnte mit Rücksicht auf den Foucault-Begriff der "Disziplinarmacht" regelrecht von Strangulationsübungen sprechen. Und wirklich findet Regisseurin Isabella Gregor, die im schauerlichen Arbeiterbarock des Theaters Akzent Rögglas Junk Space als quietschvergnügtes Damenballett arrangiert hat, als Laufstegetüde für sieben angehende Plaudersäcke, das passende Bild. Die jugendlichste der sieben Führungsseminarteilnehmerinnen (Katja Benrath) bekommt ein rotes Kabel um den Hals geschlungen - und es wird nicht ganz einsichtig, ob sie sich nicht aus vorauseilender Selbstbescheidung selbst den Garaus macht, ehe irgendein "Controller" das lästige Geschäft für sie erledigt.

Die ehemals "linke", nunmehr verpönte, aus allen Thinktanks verabschiedete Theorie des Nichteinverständnisses mit den Verhältnissen hätte früher einmal von "Internalisierung" gesprochen. Von der Selbstdressur eines mehr oder minder qualifizierten Angestelltenheeres, dessen Aufstiegs- und Verelendungs-chancen den völlig rätselhaften Launen eines vorgeblich "objektiven" Verwertungszusammenhangs geschuldet sind.

Wem derlei Begriffe zu spröde sind, dem wird auch von Frau Gregor nicht wirklich heimgeleuchtet. Rögglas Erfolg basiert auf der instinktsicheren Montage völlig sinnentleerter Sätze. Gregor kontert die bewusste Aussparung jeder Interpretation mit einer förmlich übersprudelnden Spiellaune aller Beteiligten: Sie blickt wie beglückt auf ihre Idee, das Seminarkauderwelsch werdender Verantwortungsträger auf ein weibliches Personal einzuschränken.

Normierte Identität

Die Damen docken am Laufsteg (Bühne: Richard Uiberlacker) an: Führen heißt, gesehen zu werden. Nummer eins (Sabine-Helene Heilig) nestelt unentwegt am Business-Rock über der Wolford-Strumpfhose - passgenauer Sitz und normierte Identität gelangen wiederum zur Deckung.

Auch wenn Nummer drei (Imke Büchel) mit ihrer Karottenperücke und ihren Schwadronieranfällen sozusagen ihre Minderbelastungsfähigkeit demonstriert - wenn Toilettemalheurs von Konkurrentinnen wie Generalspäße bekichert werden, eine Videowand mit schönen Rolltreppenbildern bezirzt: Eine Disziplinierung insbesondere der unterschiedlichen Deklamierfähigkeiten hätte kleinere Wunder bewirkt.

Und so lauscht man innerlich unbeteiligt, auch zusehends ermüdet einem kapitolinischen Managementgeschnatter, das viel über Gänse erzählt, aber wenig über den Stössel, der sie gewaltsam mästet. Eine vergebene Chance, wie man leichthin zu sagen pflegt; ein Abend ohne Rätsel. (Ronald Pohl, DER STANDARD Printausgabe, 30.01.2007)