Designmöbel im Test: Andrea Kessler und Theresia Frass-Knierzinger gründeten im November die Kindergruppe Kokodil.

Foto: Standard/Corn
Wien - Es ist Mittag. Zehn hungrige Mäuler warten darauf, gefüttert zu werden. Mit Plastiklöffel und Lätzchen bestückt, machen sich die Kinder über einen Berg voll Nudeln her. Zwei Betreuerinnen sorgen dafür, dass der Großteil der Mahlzeit auch wirklich in den Mündern landet.

Als sich plötzlich die Türe öffnet und drei fremde Leute eintreten, mit Fotoapparat und Schreibblock bewaffnet, bricht ein Kind in Tränen aus. Ein zweites stimmt sogleich ein, gemeinsam schreien sie im Duett. Die anderen sind davon relativ unbeeindruckt und lassen sich bei ihrer Mahlzeit nicht stören.

Sieht man von dem unerwarteten Besuch ab, ist das Szenario für die Kinder von Theresia Frass-Knierzinger (26) und Andrea Kessler (29) ein alltägliches. Seit die beiden Architekturstudentinnen im November 2006 eine fixe Kinderbetreuung an der Uni für angewandte Kunst eingerichtet haben, studieren sie Tür an Tür mit ihren Jüngsten.

"Als Künstler ist unser Arbeitsplatz die Uni, da die meisten Arbeiten praktisch sind", erklärt Frass-Knierzinger die Schwierigkeit, lange von zu Hause aus zu studieren. Da sie für ihren Nachwuchs keine Betreuung nach ihren Bedürfnissen fand, sah sie die Notwendigkeit zu handeln und gründete mit ihrer Kollegin die Kindergruppe "Kokodil".

Unternehmen Kind

Das Projekt ist mittlerweile wie ein eigenes Baby für die jungen Mütter. Der organisatorische Aufwand kostete beide zwei Semester ihres Studiums. Mit einer Bedarfserhebung und mehreren Amtsgängen begann der bürokratische Hürdenlauf. "Man kennt plötzlich alle, von der Putzfrau bis zum Rektor", hebt Frass-Knierzinger eine positive Seite hervor. Finanzielle Unterstützung erhalten sie von der ÖH, die Angewandte stellt für die ersten vier Jahre die Räume mietfrei zur Verfügung.

Inzwischen wissen die beiden was ein Unternehmerdasein ausmacht: "Wir hatten Wünsche, die finanziell nicht machbar waren und mussten uns mit Fragen auseinandersetzen, wie: 'Was kostet ein Angestellter?'" Der große Unterschied zu anderen Unternehmen sei, dass es hier nicht um Waren gehe: "Kinder sind ein Faktor, den man nicht berechnen kann", erklärt Kessler. Heute funktioniert "Kokodil" als elternverwalteter Verein. Aufgaben wie Wäschewaschen, Kochen und Einkaufen werden unter den Eltern aufgeteilt. Basisdemokratisch werden bei regelmäßigen Elternabenden wichtige Entscheidungen gefällt.

Die Teller sind leer, die Nachspeise aufgeputzt. Die Kinder stürzen zur Polsterschlacht in die Spielecke. Mit dem Essen schluckten sie auch die Angst vor dem Fotografen hinunter und lugen neugierig in die Linse. Die Möbel und Spielgeräte, auf denen sie herumtollen, wurden von Studierenden der Angewandten entworfen und gebaut. Auch andere für die Kinder nützliche Projekte sind willkommen. So liegt etwa ein Entwurf zu einem stabilen, leicht aufstellbaren Karton-Tisch vor, den man bei Ausflügen im Freien einsetzen will.

Im Rahmen der Kindergruppe finden Kunstpädagogen zur Praxis. Das Konzept besteht darin, die Kinder fix in den Universitätsbetrieb zu integrieren. Bei Besuchen in die Holz- und Keramikwerkstätten lernen sie den Arbeitsplatz ihrer Eltern kennen.

Von 8.30 bis 16.00 Uhr bietet "Kokodil" - der Name bezieht sich auf den Maler Oskar Kokoschka - Betreuung an. Die Kosten betragen für Studenten der Angewandten zwischen 160 und 240 Euro im Monat, je nachdem, wie viele Tage das Kind die Gruppe besucht. Für alle anderen ist der Preis um je 20 Euro höher.

Väter im Visier

Nicht nur organisatorische, sondern auch politische Arbeit steht hinter dem Projekt. "Wir wollten für das Thema 'Studieren mit Kind' sensibilisieren - das hat lange gedauert", sagt Frass-Knierzinger. Bestätigend fügt Kessler hinzu, dass das klassische Rollenbild nach wie vor aufrecht sei: "Unter den Studierenden in Karenz sind nur ganz wenige Männer." Um dahingehend ein Zeichen zu setzen, haben sie den nächsten Elternabend zum Männer-Abend erkoren. (Julia Wurm, Julia Grillmayr/DER STANDARD-Printausgabe, 6. März 2007)