Ein Mann, ein Wort: König Ubu und seine Ausformungen enthemmter Leiblichkeit.

Foto: Schauspielhaus/ N. Mangafas
Wien – Dieses Theater führt zunächst durchs Grand Hotel am Opernring. Nichts für Sesselkleber, denn die in Themengruppen gegliederten Zuseher begeben sich unter der Führung animierender Schauspieler von der stickigen Tiefgarage bis hinauf ins sechste Obergeschoß, wo dicke Aluröhren das ächzende Zentrum der Klimaanlage bilden. Vorbei an Türen mit der Aufschrift "Fleischerei", durch eine japanische Restaurantküche, in patinierte Verwaltungsräume.

Das Gebäude steckt durch seine Theaterinfizierung voller Fehler. Manch eine Dame, die ihre Pumps gezielt in die Tiefen des butterweichen Gangteppichs gräbt, ist echt. Andere sind Schauspieler, man weiß es nie genau. Man kennt die Gesichter noch nicht, es sind Studenten des Max Reinhardt Seminars, mit dem das Schauspielhaus in der Produktion Der Ubu-Komplex kooperiert. Und sie sind grandios: u. a. Thomas Frank und Maximilian Laprell.

Vorspiel im Hotel

Der israelische Regisseur sendet sein Publikum jeweils in die Stadt aus und lässt es dort mit Wanderungen den Theatereintritt erst einmal verdienen. Das Vorspiel im Grand Hotel sollte die Eintrittskarte für die monströse Welt Alfred Jarrys und seines Ubu Roisein, dessen kreatürliche Auswüchse eineinhalb Stunden später im Schauspielhaus in der Porzellangasse ihren Anfang nahmen. Doch die künstlerische Anbindung war schlecht. Kein Hotel-Gedanke, der in der Straßenbahn bis zum Schauspielhaus überlebt.

An den Rändern der in zwei Zuschauerhälften geteilten Bühne hängen Puzzleteile aus Jarrys Leben und Werk. Darunter ein Rennfahrrad, das zum berühmten Attribut des französischen Schriftstellers wurde und mit welchem später in todesfürchtiger Geschwindigkeit um eine Zirkusbühne im Kreis gefahren wird. Oder: Der in wülstiger Megazellulite ausufernde Leib des für seine Gefräßigkeit und Maßlosigkeit bekannten Putschisten Ubu selbst.

Puppenspieler Christoph Bochdansky hat eine seiner fabelhaften riesigen Stofffiguren beigesteuert: Ubus Pferd? Und mit prononcierten "Merdre"-Ausrufen (dt. "Schreiße!", sic!) bringt man Jarrys literarische Initialzündungen zum Klingen. Doch die Dutzendideen nützen sich im Verlauf dieses sich im Kreis drehenden Wattebausch-Karnevals rasch ab. Wer auf das "theatre action" des Alfred Jarry setzt, darf sein Spiel nicht so gefangen und brav, sogar lieblich halten, wie es Maayan hier tut.

Melitta Jurisic und Daniel Keberle geben in sich spiegelnden Positionen das "Paar" Jarry/Ubu. Alfred Jarry, dessen Ubu Roi bei der Uraufführung 1896 ein veritabler Theaterskandal war, ist seiner abscheulichen Figur bekanntlich immer mehr verfallen und gegen Lebensende hin mit ihr "verwachsen". (Margarete Affenzeller / DER STANDARD, Printausgabe, 14.03.2007)