Grafik: DER STANDARD
Kärnten prescht mit Unterstützung der Bildungsministerin mit zwei Modell-Standorten vor. Andere Bundesländer werden folgen. In der ÖVP ist man skeptisch.

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Klagenfurt/Wien - Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider (BZÖ) genoss die Situation sichtlich: Er verkündete am Montag die Einigung mit Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ) über einen Schulversuch zur Gesamtschule in Kärnten. Obwohl es bereits vor zwei Jahren einen entsprechenden Beschluss im Kärntner Landtag mit den Sozialdemokraten gegeben hatte, war Haider bei der Pressekonferenz ausschließlich von orangen Mitstreitern flankiert. Er habe das Kärntner Modellprojekt auch schon der früheren ÖVP-Bildungsministerin Elisabeth Gehrer präsentiert, diese habe aber abgelehnt, erzählt Haider: "Das war wohl aus ideologischen Gründen nicht möglich."

Nicht nur bei Gehrers Nachfolgerin Schmied, die die Realisierung des Kärntner Gesamtschul-Projekts laut Haider "total super" fand, auch bei Kanzler Alfred Gusenbauer sei er mit dieser Idee sehr schnell auf positives Echo gestoßen. Haider zum Standard: "Ich habe mit ihm darüber gesprochen, als ich ihm die Kärntner Erwartungen an die neue Regierung präsentiert habe - und er hat nichts dagegen gehabt."

Zwei Standorte

Geplant sind laut Haider zwei Schulversuche in Klagenfurt und Villach. In Klagenfurt werde das BORG (Bundesoberstufenrealgymnasium) gemeinsam mit der Übungshauptschule an der Pädagogischen Hochschule eine gemeinsame Klasse einrichten. Hier gäbe es bereits die Zustimmung der Schulleitungen. Die Zustimmung für das Villacher Gesamtschul-Modell steht noch aus.

Mit der Detailplanung soll sich eine Strukturkommission befassen, die Bildungsministerin Schmied noch vor dem Sommer einsetzen will. Diese Kommission will Schmied mit nationalen und internationalen Wissenschaftern verschiedener Disziplinen besetzen, das Projekt soll schließlich "gut vorbereitet sein und auf höchstem Niveau passieren".

Wie lange die Pilotphase dauern soll, darauf wollte sich Schmied am Montag im Gespräch mit dem Standard noch nicht festlegen. Für jene Kinder, die in den Modellregionen zur Schule gehen, wird es weiterhin Wahlfreiheit geben: Laut Schmied sollen parallel zur Gesamtschule weiterhin Gymnasien und Hauptschulen bestehen. Schmied: "Zwangsbeglückung wird es keine geben."

"Mein Gott, testen wir"

Wenig erfreut zeigt man sich am Montag in der ÖVP über die, wie Vizekanzler Wilhelm Molterer meinte, "interessante orange-rote Achse" beim Thema Gesamtschule: "Mein Gott, testen wir es", war seine Reaktion, die ÖVP werde aber sicherstellen, dass die Gesamtschule in Österreich kein Zwang werde.

Noch deutlicher lehnte ÖVP-Bildungssprecher Fritz Neugebauer das Projekt des Bildungsministeriums ab: "Es ist unverständlich, dass die SPÖ und Landeshauptmann Haider Hauptschule und Gymnasium abschaffen wollen. Das differenzierte Schulsystem hat sich bewährt." Die Vorgangsweise der SPÖ sei jedenfalls "mehr als hinterfragenswert". Schmied hingegen hält dazu fest, man handle "entlang des Koalitionsübereinkommens".

Entschieden gegen die Gesamtschule ist FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, es drohe bei diesem Projekt eine "Nivellierung nach unten". Mit dem Pilotprojekt in Kärnten beweise Haider, "dass er mit freiheitlichen Grundsätzen wirklich nicht mehr das Geringste am Hut habe", so Strache. Die Grünen hingegen begrüßen das Vorhaben: Es sei ein "wichtiger Schritt, um die soziale Ungleichheit im österreichischen Schulsystem endlich wirksam zu bekämpfen", erklärte Bildungssprecher Günther Brosz. (Andrea Heigl, Elisabeth Steiner/DER STANDARD-Printausgabe, 24.04.2007)