VP-Landesrätin Edlinger-Ploder hat genug vom "Chaos" bei den Schul-Pilotversuchen: "Derzeit ist das ein riesiges Fiasko."

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Sie fordert eine gemeinsame Ganztagsschule der Fünf- bis 15-Jährigen.

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Wien/Graz - Gut Ding braucht Weile. Das scheint das Devise der steirischen VP-Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder zu sein, wenn es um die flächendeckende Einführung der Gesamtschule geht. 15 Jahre würde eine Umstellung des gesamten Systems dauern, wenn diese auch "qualitätsvoll" erfolgen soll, glaubt die Wissenschafts-Landesrätin.

Landesrätin Edlinger-Ploder hat sehr konkrete Vorstellungen davon, wie die Gesamtschule, die sie freilich ungern so nennt, aussehen soll: Eine "gemeinsame Schule der fünf- bis 15-Jährigen mit innerer Differenzierung" soll sie sein, die als Ganztagsschule geführt wird. "Das ist unumgänglich", ist Edlinger-Ploder überzeugt. Bis 16 Uhr sollen die Kinder in der Schule sitzen, betreut nicht nur von Lehrern, die also in Zukunft wesentlich mehr Zeit in der Schule verbringen müssten, sondern auch von pädagogischem und medizinischem Personal.

Dass es in ihrer eigenen Partei heftige Widerstände gegen die Gesamtschule gibt, irritiert Edlinger-Ploder wenig: In der ÖVP sei "endlich Dynamik in die Bildungsdiskussion gekommen". Nach und nach werde sich in der Volkspartei herumsprechen, dass man vor der Gesamtschule "keine Angst haben muss".

Als eine von Edlinger-Ploders parteiinternen Mitstreiterinnen gilt die Wiener ÖVP-Stadträtin Katharina Cortolezis-Schlager. Die Leiterin des Bildungs-Bereiches in der VP-Perspektivengruppe ist froh über den "riesigen Diskussionsschub". Man sei sich in der ÖVP einig, dass man Kinder individuell fordern und fördern müsse - Differenzen gebe es lediglich darüber, innerhalb welcher Strukturen dies passieren soll.

Schwerpunkte statt Ganztagsschule

Die Gesamtschule als Ganztagsschule hält sie für Ballungsräume wie Wien allerdings nicht für geeignet. Ihre Idee: "Jede Hauptschule soll mit einem Gymnasium oder Berufsbildende Schulen kooperieren." So soll die Durchlässigkeit des Systems sichergestellt werden. Die Schulen sollen individuelle Schwerpunkte setzen, etwa Musik, Sport oder Naturwissenschaften. Mit zwölf bzw. 15 Jahren sollen dann die Weichen für die spätere Ausbildung gestellt werden.

Die konkrete Planung in Wien führt derzeit freilich in eine andere Richtung: Vizebürgermeisterin Grete Laska strebt die "gemeinsame Mittelstufe der Vielfalt an", und zwar flächendeckend für die ganze Bundeshauptstadt. Der ursprünglich angekündigte Start-Termin, nämlich das Schuljahr 2009/10, wird aber kaum halten: "Der Zeitpunkt ist nicht prioritär", hält sich Laska auf Anfrage des Standard diesbezüglich bedeckt. Auch ob man für eine derartige Struktur-Änderung eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament braucht, will Laska noch "juristisch prüfen lassen". Derzeit beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe im Stadtschulrat mit der "gemeinsamen Mittelstufe", dann muss mit dem Bildungsministerium verhandelt werden. Zudem werde man in den nächsten Monaten viel Aufklärungsarbeit unter Eltern und Lehrern leisten müssen, glaubt Laska.

Dass es derzeit tatsächlich ein großes Informationsdefizit gibt, belegt eine bundesweite Umfrage des Klagenfurter Humaninstituts: 38 Prozent der Befragten sprechen sich für die gemeinsame Schule der Sechs- bis 15-Jährigen aus, bereits die zweitgrößte Gruppe - rund ein Drittel - antwortete mit "Weiß nicht". 29 Prozent sind gegen die Gesamtschule.

Unter den AHS-Lehrern gibt es weiterhin eine breite Front der Ablehnung. Am Mittwoch sprachen sich die niederösterreichischen AHS-Direktoren dezidiert gegen die Gesamtschule aus: Von ihnen gab es "ein Nein zur mutwilligen Zerschlagung bewährter Strukturen". (Andrea Heigl/DER STANDARD Printausgabe, 10. Mai 2007)