Die Kandidaten: Samir Al-Mobayyed (23), Jus und Arabistik, VP-nahe AktionsGemeinschaft (AG), Lisa Schindler (22), Jus/Sozioökonomie, Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) und Fanny Rasul (22), Politikwissenschaft, Grüne und Alternative StudentInnen (GRAS).

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Samir Al-Mobayyed (AG), Fanny Rasul (GRAS) und Lisa Schindler (VSStÖ) kämpfen bei der heute endenden ÖH-Wahl um Platz eins. Eine Begegnung von dreien, die sich als "zwei gegen einen" entpuppte. Der Standard-ÖH-Talk von Andrea Heigl und Lisa Nimmervoll.

Standard: In ein paar Stunden werden Sie sich auf die Suche nach einem Koalitionspartner machen. Wen hätten Sie gern?

Rasul: Wir wünschen uns eine Koalition mit dem VSStÖ, damit wir die Arbeit der letzten Jahre fortführen können.

Schindler: Auch für uns ist das Ziel ganz klar die Fortsetzung einer rot-grünen Koalition.

Al-Mobayyed: Ich antworte anders: Ein klares Nein zum RSF und den zwei KSVs. Mit allen anderen könnte ich mir eine Zusammenarbeit vorstellen.

Standard: Die Bundesregierung ist rot-schwarz. Was trennt den VSStÖ und die AG?

Schindler: Unser Politikbegriff und unsere Definition der ÖH sind weiter gefasst. Wir wollen uns für eine gesellschaftliche Veränderung einsetzen und einen Gegenpunkt zum politischen Mainstream setzen, gerade durch Frauenförderung. Feminismus ist im VSStÖ ein großer Schwerpunkt.

Al-Mobayyed: Ich finde auch, dass Frauenförderung ein wichtiges Thema ist, aber kein vorwiegend ÖH-relevantes. Wir wollen zuerst Studierenden-Interessen vertreten und dann Gesellschaftspolitik machen. Rot-Grün in der ÖH hat in den vergangenen sechs Jahren eine Kopf-gegen-die-Wand-Politik und Fundamentalopposition betrieben.

Rasul: Das ist definitiv nicht so. Ich sehe auch nicht, wo die Grenze zwischen Uni-Politik und Gesellschaftspolitik liegen soll. Wir sehen die Unis klar als Teil der Gesellschaft.

Standard: VSStÖ und GRAS wollen sagen klar Nein zur AG. Fühlen Sie sich ausgebootet?

Al-Mobayyed: Nein, aber ich finde es überheblich. Ich habe von Anfang an gesagt, alles was mit Radikalität zu tun hat, ist nichts für uns. Das wäre dann auch die GRAS, denn mit eurem Radikal-Feminismus ...

Schindler: (lacht) Fühlst du dich ausgeschlossen, Samir?

Al-Mobayyed: Nein, nicht ausgeschlossen, aber ich wüsste nicht, was man darunter verstehen soll.

Rasul: Unter radikal-feministisch verstehen wir in der GRAS, dass wir uns nicht damit zufrieden geben, Machtpositionen mit Frauen zu besetzen, sondern dass wir auch aktiv gegen Machtpositionen vorgehen, weil das ein Teil des patriarchalischen Systems ist.

Schindler: Ich hätte auch kein Problem, wenn mich Samir als radikal bezeichnen würde.

Al-Mobayyed: Das war jetzt nur auf die GRAS bezogen.

Schindler: Das verdeutlicht das Problem. Ich glaube, dass unsere Ansätze und unsere Arbeit tiefer gehen als die der AG. Ihr sagt, Service ist zentral - das kratzt aber nur an der Oberfläche. Wichtig ist es, Probleme zu lösen.

Al-Mobayyed: Habt ihr in den vergangenen sechs Jahren irgendwelche Probleme gelöst?

Schindler: Wir haben zum Beispiel die Erhöhung der Stipendien durchgesetzt.

Al-Mobayyed: Aha, zuerst Mogelpackung nennen und dann als Erfolg verkaufen, das finde ich etwas doppelgleisig.

Rasul: Es hat eine Erhöhung gegeben, aber es ist zu wenig.

Al-Mobayyed: Aber dann kann man von Anfang an sagen, ja, es ist zu begrüßen, aber es ist zu wenig. Und nicht zuerst verkünden, super, das ist unser Erfolg, und eine Woche später, na ja, doch nicht ganz.

Schindler: Samir, wenn du mehr als die Schlagzeile dieser Presseaussendung gelesen hättest ...

Al-Mobayyed: Ich habe die Aussendung gelesen, aber ich finde es wieder mal typisch, dass ihr euch so in den Medien präsentiert und sagt, egal was gemacht wird, es ist schlecht.

Rasul: Ein Beispiel dafür, was wir als rot-grüne ÖH bewirkt haben, ist, dass sich der Wahlkampf 2007 immer noch um die Studiengebühren dreht, die schon 2001 eingeführt worden sind. Was im Endeffekt rausgekommen ist, können wir nicht beeinflussen, aber man sieht, dass alleine die Diskursverbreiterung sehr wichtig und fruchtbar ist.

Schindler: Auch das ist ein Punkt, wo man Unterschiede zwischen uns und der AG sieht. Ihr sagt, ihr seid nur deswegen gegen die Studiengebühren, weil sie nicht zur Qualität des Studiums beigetragen haben.

Al-Mobayyed: Ich habe nur als Beispiel genannt, dass sich in der Lehre nichts geändert hat.

Schindler: Aber du hast gesagt, du könntest nicht sagen, wie du dazu stehen würdest, wenn es für die Studierenden etwas bringen würde.

Al-Mobayyed: Nein, ich habe gesagt, ich kann nicht in die Zukunft schauen. So wie es jetzt ausschaut, sind wir als AG für die Abschaffung. Ich weiß nicht, warum ihr mir das Wort im Mund umdreht.

Standard: Ein wichtiges Thema sind die Zugangsbeschränkungen. Wie soll's weitergehen?

Rasul: Es hat sich herausgestellt, dass es wirklich nur in der Humanmedizin nötig war, diese Zugangsbeschränkung einzuführen. In den sieben anderen Fächern wollen wir sie auslaufen lassen. Man muss sich bewusst werden, dass das ein europäisches Problem ist. Mittelfristig sehen wir ein kostensolidarisches Modell zwischen den Ländern, längerfristig braucht es einen europaweiten, freien Hochschulzugang. Wenn man von deutschen "Bildungsflüchtlingen" redet, muss man sich ja auch fragen, wovor die flüchten.

Schindler: Die Bilanz der Zugangsbeschränkungen ist eine schreckliche. Das EuGH-Urteil war nichts anderes als ein willkommener Anlass, um endlich Zugangsbeschränkungen auf Universitäten einzuführen, die seit vielen Jahren unterfinanziert sind.

Al-Mobayyed: Ich bin sicher, dass außer in Medizin der Zugang kein Problem ist. Für Medizin finde ich die skandinavische Lösung, wo ein Land dem anderen die Studienplatzkosten zahlt, nachhaltiger und gerechter.

Standard: In diesem "Zwei gegen einen" - was unterscheidet eigentlich VSStÖ und Gras?

Al-Mobayyed: Bin gespannt.

Schindler: Es ist eine Frage der Schwerpunkte. Der VSStÖ sieht sich den Studierenden verpflichtet, die in Gefahr sind, von den Unis gedrängt zu werden. Unser Schwerpunkt liegt auf der Unterstützung jener Studierenden aus nicht akademischen Familien oder deren Studium von den Eltern nicht finanziert wird.

Rasul: Ein wesentlicher Unterschied liegt auch in den Strukturen der Organisationen. Die GRAS ist die einzige der größeren Fraktionen, die basisdemokratisch ist. Wir bekämpfen auch aktiv Hierarchien innerhalb unserer Organisationen, was beim VSStÖ nicht so ist. Wir wollen uns noch mehr auf Migrantinnen konzentrieren. Es gibt genug Unterschiede zwischen uns, aber mehr Anknüpfungspunkte. Ein wichtiger verbindender Punkt ist, dass für uns Gesellschaftspolitik und Unipolitik Hand in Hand gehen.

Standard: Machen wir einen Zeitsprung: ÖH-Wahl 2009. Welche drei Punkte soll "Ihre" ÖH umgesetzt haben?

Al-Mobayyed: Studentenfreifahrt, Stipendiensystem (Familien-, Studienbeihilfe, Stipendien) komplett reformieren, Studienflexibilisierung mit Sommer- und Winter-Uni.

Schindler: Abschaffung der Zugangsbeschränkungen und Studiengebühr, soziale Absicherung aller Studierenden.

Rasul: Die überfällige Einführung des passiven Wahlrechts für ausländische Studierende, Abschaffung der Zugangsbeschränkungen und eine Diskursverbreiterung.

Standard: Zum Schluss einen Wahlaufruf an Last-Minute-Wählerinnen und -Wähler. Warum sollen sie wählen gehen?

Al-Mobayyed: Weil Studierende eine starke Interessenvertretung brauchen. Wer die AG wählt, entscheidet sich für eine starke, pragmatische Vertretung, die die Studentinnen und Studenten im Mittelpunkt sieht und die keine Vogel-Strauß-Politik macht.

Rasul: Auf jeden Fall zur Wahl gehen und dieses Recht aktiv nützen, sich aber nicht darauf ausruhen, sondern auch selbst aktiv werden an den Unis. Wer GRAS wählt, wählt eine Fraktion, die sicher nicht mit der Regierung kuscheln wird, die nicht die Vollstreckerin des absurden Sozialdienstmodells wird, die auf jeden Fall kritisch und kämpferisch für die Studierenden kämpfen wird.

Schindler: Wer nicht wählen geht, sollte sich in den nächsten zwei Jahren nicht beschweren, wenn ihr oder ihm die ÖH nicht gefällt. Wer VSStÖ wählt, wählt eine lautstarke ÖH, die die Politik und die Unis in die Verantwortung nehmen und sicher keine Ruhe geben wird, bis es zu Verbesserungen kommt. (DER STANDARD Printausgabe, 24. Mai 2007)