zsolt wilhelm

Amerikanische Fahnder haben einen der bekanntesten Spammer verhaftet. Der 27-jährige Robert Alan Soloway soll Programme zur Verbreitung der Werbepest von der Stange verkauft haben - mit 80 Millionen E-Mail-Adressen inklusive zum Preis von 495 Dollar (370 Euro). Aber nach der spektakulären Festnahme in Seattle registrierten die Mail-Server in aller Welt keinen nennenswerten Rückgang im Spam-Aufkommen. Nichts geändert

"Da hat sich gar nichts getan", sagt der Leiter der Forschungsabteilung bei G-Data, Ralf Benzmüller, der für das deutsche Software-Unternehmen nach neuen Wegen zur Eindämmung der Spam-Belastung sucht. Zurzeit scheinen die Spammer die Nase vorn zu haben. "Der Trend geht ständig nach oben", sagt Benzmüller. "Wir haben eine Verdoppelung gegenüber dem vergangenen Jahr." Verdreifacht

Das von Spam verursachte Datenaufkommen ist vermutlich drei Mal so hoch wie 2006, weil es inzwischen immer mehr "Image Spam" gibt: Hier werden die Werbebotschaften in Bildern versteckt, um die auf bestimmte Begriffe anspringenden Spam-Filter zu umgehen. Industrie

"Da steckt eine ganze Industrie dahinter", erklärt Benzmüller. Der "Spammer-König" Soloway war den Ermittlungsbehörden zufolge ein "Bot Herder" - das ist einer, der gekaperte Privatcomputer zu "Bot-Netzen" zusammenschließt und diese dann für den Spam-Versand vermietet. Pro Stunde kostet das Benzmüller zufolge etwa 50 Dollar (37 Euro). An einem Bot-Netz hängen 500 bis 2.000 Rechner dran. "Wenn jemand mehr haben will, dann kann er auch zwei oder drei oder zehn dieser Netze haben", sagt der G-Data-Experte. Nach seiner Schätzung werden inzwischen 85 Prozent aller unverlangten Werbe-Mails auf diese Weise verschickt. Gekapert

Die "Zombie-Rechner", aus denen ein Bot-Netz besteht, werden meist durch einen "Drive-by Download" für die Spam-Industrie gekapert: Beim Besuch einer dafür präparierten Webseite holt sich der PC-Anwender eine Backdoor-Software auf seinen Rechner, meist auf Grund einer Sicherheitslücke des Browsers. Danach kann der Angreifer alles aufspielen, was er möchte. Remote

Um den fern gesteuerten PC möglichst effizient zu halten, wird Benzmüller zufolge mitunter sogar Software installiert, die das Betriebssystem repariert und schneller macht. Falls der "Zombie" mit einer schnellen DSL-Leitung ans Internet angeschlossen ist, wird er zum Spam-Versand eingesetzt. Das sind dann oft nur jeweils zehn Minuten, in denen der PC-Besitzer gar nicht merkt, was sein Rechner gerade anstellt. Genauere Betrachtung

Erkennen kann man solche fern gesteuerten Aktivitäten mit Werkzeugen wie Netstat, die den ein- und ausgehenden Datenverkehr unter die Lupe nehmen und statistisch erfassen. Virenschutzprogramme können die "Drive-by-Downloads" nicht zuverlässig unterbinden, da sie meist erst dann anschlagen, wenn die schädliche Software im Dateisystem eintrifft. "Deshalb haben wir jetzt eine HTTP-Datenstromüberwachung integriert", erklärt Benzmüller. Dabei werden bereits die Daten gescannt, die über das Hypertext-Transfer-Protokoll an den Browser geschickt werden. Was tun?

Was ist zu tun, wenn der eigene PC bereits zum Zombie im Dienste der Spammer geworden ist? Hier empfiehlt Benzmüller die drastische Methode, das Betriebssystem neu zu installieren. Denn selbst wenn der Backdoor-Code entfernt ist, weiß man nicht, welche Daten sonst noch verändert wurden. Damit das Aufspielen des Betriebssystems nicht zu aufwendig wird, sollte man frühzeitig an sinnvolle Backup-Lösungen denken. Jagd geht weiter

Während Soloway auf seinen Prozess wartet, sind längst andere in die Bresche gesprungen. "Die meisten russischen Banden haben offenbar viel mehr frisch gekaperte Computer und sind in der Lage, weit mehr Spam in den Posteingang der Leute zu liefern", erklärt Vincent Hanna vom Spamhaus-Projekt, das sich nichts weniger vorgenommen hat als eine Welt ohne Spam. Flut

Der Sicherheitsspezialist IronPort registrierte auch nach der Verhaftung Soloways rund 70 Milliarden Spam-Mails innerhalb von 24 Stunden - nahezu unverändert gegenüber der Zeit vor der Festnahme, aber nahezu doppelt so viel wie im Mai vergangenen Jahres mit rund 36 Milliarden. Auch der Staatsanwalt Jeff Sullivan in Seattle räumt ein, dass andere Spammer den frei gewordenen Platz einnehmen werden. "Aber wir wollten, dass die Verhaftung abschreckend wirkt." (ap)