Sommertheater mit "Faust II" in Bad Hersfeld - durchaus modern und dennoch ausverkauft.

Foto: Bad Hersfeld
In diesem Jahr wird ihnen eine Neuinszenierung von Goethes Faust angeboten. Daneben gibt es Shakespeare und Musical.
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Im deutschen Mittelgebirge kann es in den Sommernächten kalt und stürmisch werden - und dennoch ist seit 1972, obwohl im Juni und Juli Tag für Tag gespielt wird, keine einzige Vorstellung in der Stiftsruine Bad Hersfeld ausgefallen. Bei starken Regengüssen hält nämlich ein großes Regendach zumindest die in Decken eingemummten Zuschauer trocken, während sich allerdings die Darsteller auf nassem Bühnenboden abstrampeln und ihre Stimmbänder belasten müssen.

So bleibt der deutsche Gelehrte Faust, wenn er ihn im zweiten Teil von Goethes Tragödie in die mediterrane antike Walpurgisnacht versetzt wird, in der mittelalterlichen Hersfelder Stiftsruine doch im frostigeren deutschen Klima.

Planscht die Walpurgisgesellschaft zwar zunächst in einem raffiniert gespiegelten Wasserbecken, muss sie sich doch in der kalten Nacht anschließend an den Händen fassen und mit einem griechischen Sirtaki-Tanz aufwärmen und Mut machen.

Thorsten Fischer hat nach dem großen Erfolg von Faust I nun auch bei der Fortsetzung ausschließlich auf den beeindruckenden Raum der riesigen Ruine gesetzt, den er lediglich durch Beleuchtungseffekt und einen Bewegungschor dynamisiert (Bühne: Herbert Schäfer, Licht: Hartmut Litzinger). Nur am Ende werden einige Stühle auf die Bühne getragen, die veranschaulichen, dass der Raum Jahrhunderte zuvor einmal eine Kirche gewesen ist.

Von bunten, exotischen Fabel- und Märchenwesen, von prunkvollem Kaiserhof und Geldvermehrung ist hier freilich keine Spur. Fischer interessiert - sehr schlüssig und ohne große Umwege - die Weiterentwicklung der drei Hauptfiguren: Faust, Margarethe und Mephisto. Faust II so in der Tat eine Fortsetzungsgeschichte.

Ariel und Sorge

Das auch schon im ersten Teil sehr selbstbewusste Gretchen (Anna Franziska Srna) beschäftigt Faust nun nicht nur als Helena, sondern auch als Ariel und als Sorge, ja, die beiden altern gemeinsam. Faust und Gretchen verwandeln sich am Ende sogar in ein tattriges Ehepaar: Philemon und Baucis. Martin Reinke, ein träumender, vielleicht ein wenig größenwahnsinniger, am Ende etwas verbohrter Studienrat in Jeans und schwarzem Pulli als Faust, und Rufus Beck, ein zynischer Intellektueller mit weiß geschminktem Clowngesicht: ein höchst vergnügliches geistreiches Duo, das eindrucksvoll - übrigens ohne Mikroport - Goethes Sarkasmus zum Funkeln zu bringen versteht.

Weckers Musik

Konstantin Weckers Bühnenmusik hält sich auch bei Faust II eigentlich im Hintergrund, lediglich beim Auftritt von Homunculus und Euphorion gibt es dezente Musical-Andeutungen. Die Intendantin Elke Hesse ist übrigens ganz auf Erfolgskurs. Neben Goethes Faust I und Faust II gibt es Wie es euch gefällt und eine Inszenierung des Musicals Les Misérables durch Helmuth Lohner.

Auch die Zahlen können sich sehen lassen: Die magische Grenze von 100.000 Zuschauern pro Saison hat Elke Hesse bereits im letzten Jahr locker überboten und vor allem durch die kluge dramaturgische Konzeption Thorsten Fischers die traditionsreichen Schauspiel-Festspiele wieder ins Gespräch gebracht. (Bernhard Doppler, DER STANDARD/Printausgabe, 03.07.2007)