Wien - Der Chefökonom der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Jean-Philippe Cotis, ist am Freitag Vormittag bei einem "Runden Tisch" im Bundeskanzleramt zum OECD-Länderbericht mit dem österreichischen Bildungs- und Universitätssystem hart ins Gericht gegangen. Die Aufteilung der Schüler in verschiedene Schulen erfolge in Österreich zu früh, in die Universitäten werde zu wenig Geld gesteckt, und ein verpflichtendes Kindergartenjahr mit Kostenbeitrag aber ohne Sanktionen werde nicht greifen, sagte Cotis.

"Frühe Teilung vermeiden"

Deutliche Kritik übte Cotis an der in Österreich frühen Aufteilung der Schüler in verschiedene Schulsysteme. "Österreich sollte die frühe Teilung in den Schulen vermeiden", mahnte der OECD-Chefvolkswirt. Eine gemeinsame Schule so lang wie möglich sei aus Sicht der OECD die beste Option, um Chancengleichheit auch für Kinder aus sozial benachteiligten und Immigranten-Familien zu gewährleisten.

Die Einführung eines verpflichtenden Kindergartenjahres, für das die Eltern zahlen müssten, aber ohne Sanktionen bei einem Boykott durch die Eltern hält Cotis nicht für zielführend. "Wenn man das bezahlen muss, es aber nicht zahlen kann, und es keine Sanktionen gibt, dann wird das wohl nicht umgesetzt", brachte er seine Bedenken auf den Punkt. Die OECD trete für Liberalisierung und Deregulierung, aber auch für die Schaffung gleicher Chancen aller Kinder und Jugendlichen für ihre Zukunft ein.

Zu wenig Geld

In die Universitäten werde zu wenig Geld gesteckt, die Zahl der Universitätsabsolventen in Österreich sei im Vergleich mit skandinavischen Ländern oder Nordamerika viel zu gering und das Uni-System sei generell durch zu geringe Autonomie der Bildungsinstitutionen und daher auch zu niedrige Effizienz gekennzeichnet. "Dadurch werden Human Resources verschwendet", richtete Cotis eine deutliche Mahnung an die Politik.

Privates Kapital möglich

Als Ausweg aus dem Dilemma sollten Wege zum Anzapfen von privatem Kapital für die Unis ernsthaft erwogen werden. In den von Studentenvertretern viel kritisierten Studiengebühren sieht die OECD allerdings kein Problem. Laut Statistik hätten jene Länder mit Studiengebühren auch hohe Studentenquoten, Modelle mit rückzahlbaren Krediten zur Finanzierung des Studiums, etwa in Australien, könnten hier für Österreich eine Vorbildfunktion haben, regte Cotis einen Blick in andere Länder an.