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Blick auf den neugestalten Platz vor dem Bregenzer Festspielhaus

FOTO: APA / BARBARA GINDL

Bregenz - Bundespräsident Heinz Fischer hat am Mittwochvormittag die 62. Bregenzer Festspiele (18. Juli bis 19. August) eröffnet. Den Auftakt am Mittwochabend bildet die Hausoper "Tod in Venedig" des britischen Komponisten Benjamin Britten, am Donnerstag feiert Puccinis Opern-Thriller "Tosca" auf der Seebühne Premiere. Für die rund 60 Veranstaltungen sind 190.000 Karten aufgelegt, über 80 Prozent der Tickets sind bereits verkauft.

An der Eröffnungsfeier im Großen Saal des Bregenzer Festspielhauses nahmen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Vizekanzler Wilhelm Molterer sowie zahlreiche weitere Regierungsmitglieder teil. Kulturministerin Claudia Schmied ergriff das Wort, bevor Bundespräsident Fischer die Festspiele eröffnete. Zudem waren zahlreiche Repräsentanten aus der Schweiz und Deutschland geladen, darunter Dieter Althaus, Ministerpräsident von Thüringen, und die St. Galler Regierungspräsidentin Kathrin Hilber.

Bildungslandschaft

Festspielpräsident Günter Rhomberg stellte in seiner Ansprache kritisch fest, dass "durch die in den letzten Jahren stagnierenden Budgets für Kunst und Kultur bestehende Strukturen unserer so produktiven österreichischen Theaterlandschaft gefährdet sind". Es werde zu wenig öffentlich anerkannt, dass alle Einrichtungen, die der Kunst und Kultur dienen, ein nicht unwesentlicher Teil der "Bildungslandschaft" seien und schon deshalb jede Förderung verdienten. Seit 1997 hätten die Bregenzer Festspiele durch die Nicht-Valorisierung der Subventionen real ein Viertel eingebüßt, so Rhomberg. Mit Einnahmen von rund 15 Mio. Euro erreichten die Bregenzer Festspiele eine finanzielle Eigendeckung von 75 Prozent.

Ohne kulturelle Bildung gehe das Verständnis für kritischen Diskurs verloren, dies aber gefährde auf lange Sicht die weitere demokratische Entwicklung der Gesellschaft, befand der Festspielpräsident. Rhomberg ging außerdem auf ein Zitat des früheren tschechischen Präsidenten Vaclav Havel ein, in dem Havel im Sinne eines geeinten Europas mehr Aufmerksamkeit und Mittel für die Kultur- und Geisteswelt forderte. "Schon heute gelingt dem europäischen Geist in den künstlerischen Bereichen die Verwirklichung des paneuropäischen Gedankens stärker, weil gerade Musik überall verstanden werden kann", sagte Rhomberg.

"Offenbarung einer offenen Gesellschaft"

Sowohl Festspiel-Intendant David Pountney, der die Eröffnungsfeier moderierte, als auch Kulturministerin Claudia Schmied wählten in ihren Ansprachen die Freiheit der Gesellschaft als zentrales Thema. Pountney sprach vom "unschätzbaren Gut der Freiheit" in unserer Gesellschaft und stellte demgegenüber die Bedingungen, unter denen die Komponisten Britten und Schostakowitsch zu leben und zu arbeiten hatten. Keine der Repressalien habe die beiden aber davon abgehalten, "herrlich witzige und leichtfüßige Musik zu schreiben", sagte Pountney.

Die Festspiele seien eine "kraftvolle Offenbarung einer offenen Gesellschaft", so der Festspielintendant. Doch sei "uns allen" die häufige Bedrohung jener Offenheit bewusst. Diesbezüglich erinnerte Pountney an einen Ratschlag eines der Gründerväter der USA, Benjamin Franklin: "Wer die Freiheit einschränkt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren".

Kulturministerin Claudia Schmied sprach in ihrer Rede über "tabuisierte Formen der Liebe". Schmied forderte die Kunst auf, sich Tendenzen zu widersetzen, die dem "Gebot der Freiheit der Liebe" entgegenstehen. "Tod in Venedig"-Komponist Benjamin Britten habe ein öffentliches Leben wagen können, das sich Thomas Mann selbst immer verboten habe, so Schmied in Anspielung auf die Homosexualität Brittens. Im 20. Jahrhundert habe es einen Diskurs zum Widerspruch zwischen "normierter Gesittung und den individuellen Sehnsüchten der Menschen" gegeben. "In jüngster Zeit ist vielfach Stillstand eingetreten", stellte Schmied fest.

Wenn das "Auseinanderklaffen von Schein und Sein" nicht mehr hinterfragt werde, "greifen die Tabus wieder machtgierig nach den Chancen auf Freiheit und Gleichheit". Die Kunst sei aufgerufen, sich zu widersetzen. "Sie hat dazu die Pflicht und das Recht", so Schmied weiter. Man habe "zu lange weggeschaut, als sich in den vergangenen Jahren erneut Lebensformen und Moralvorstellungen in unserer Mitte auszubreiten begannen, die dieses Gebot der Freiheit der Liebe missachten". Die Botschaft der Kunst, dass Liebe nur in Freiheit gedeihen könne, sei in unserer Gesellschaft "noch nicht zur Genüge angekommen", bedauerte Schmied.

Hinweise und Anstöße aus dem Bereich der Kunst

Auch Bundespräsident Heinz Fischer beschäftigte sich in seiner Eröffnungsrede der 62. Bregenzer Festspiele mit der freien Gesellschaft. Benjamin Britten hätte in Österreich bis in die 1970er Jahre "eine strafgerichtliche Verfolgung fürchten müssen, waren doch bis zum Jahr 1971 gleichgeschlechtliche Beziehungen mit Freiheitsstrafen bedroht", so Fischer. "Seither hat sich glücklicherweise viel zum Besseren, d.h. zum Abbau von Diskriminierung hin verändert. Aber noch immer gibt es gesellschaftliche und rechtliche Barrieren, die ich als problematisch empfinde", so Fischer.

Das Programm der Bregenzer Festspiele sei "Anlass, diesen Themen nicht einfach auszuweichen, nicht wegzuschauen, sondern sich einzugestehen, dass es noch Diskriminierung und damit ungelöste gesellschaftliche Fragen gibt, die uns verpflichten, sich damit auseinanderzusetzen und für Hinweise und Anstöße aus dem Bereich der Kunst nicht taub zu sein."

Als Beispiele hierfür führte Fischer zentrale Künstler des heurigen Programmes an: Britten war "als Homosexueller und Pazifist im Großbritannien der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts starken Repressionen und Anfeindungen ausgesetzt." Die Vita des Komponisten Dimitri Schostakowitsch, der im heurigen Konzertprogramm eine wichtige Rolle spielt, "spiegelt das komplizierte und widerspruchsvolle Verhältnis von Kunst und Revolution wider, das noch komplizierter wird, wenn aus der Revolution Diktatur wird", so Fischer.

Der Bundespräsident resümierte, dass "viel Gedankenarbeit, aber auch Mut und Professionalität in den Programmen und Aufführungen der Bregenzer Festspiele" stecke. Und die Politik müsse "auf Signale, Hilferufe oder kritische Anmerkungen aus dem Bereich der Kunst sensibel reagieren", so der Bundespräsident. (APA)