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Bildungsnahe Schichten sind noch immer überpräsent an Österreichs Unis, obwohl der Anteil an bildungsfernen Schichten leicht steigt.

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Grafik: Standard
Der Hochschulbereich in Österreich hat noch immer eine deutliche Schieflage zuungunsten bildungsferner, sozial schwächerer Gruppen. Das bestätigt auch die neue Studierenden-Sozialerhebung. Aber: Die Fachhochschulen sorgen für ein bisschen sozialen Ausgleich.

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Wien - "In Wahrheit hat sich eigentlich nichts getan." Diese von Martin Unger, Soziologe am IHS und Co-Autor des am Mittwoch im Wissenschaftsministerium präsentierten Berichts zur sozialen Lage der Studierenden, ausgesprochene Wahrheit bezieht sich auf die soziale Zusammensetzung an den österreichischen Unis.

Die Wahrheit ist also, dass "bildungsferne" Gruppen an den Universitäten noch immer "deutlich unterrepräsentiert" sind. Das zeigt die Studie, für die 9000 Studierende an Unis und Fachhochschulen (FH) online befragt wurden.

Aber, und darauf bezieht sich Ungers "eigentlich", die Situation hat sich etwas verbessert - wegen der Fachhochschulen. Der langfristige Trend zeigt: 1990 waren Studierende aus "bildungsnahen Schichten" noch um den Faktor 4,1 überrepräsentiert, bis 2006 hat sich dieser Überhang auf den Faktor 2,7 verringert. An Unis beginnen also Kinder von Maturanten und Akademikern dreimal häufiger ein Studium als Kinder aus "bildungsfernen" Familien.

"Die soziale Schere geht etwas zusammen, weil die Fachhochschulen etwas attraktiver sind für diese Gruppen", sagte Unger. "Durch die Expansion des FH-Sektors wird der gesamte Hochschulsektor etwas sozial ausgeglichener", sagt die Studie. Im gesamten Hochschulsektor ist der Zugang bildungsnaher Schichten seit mehr als zehn Jahren relativ konstant (was laut Studienautoren auf die geringere Fertilitätsrate, weniger Kinder in diesen Schichten, zurückzuführen sein könnte), während sich der Anteil bildungsferner Schichten geringfügig, aber kontinuierlich erhöht hat.

Der Faktor Schicht

Allerdings gilt auch: "Der Anteil der Studierenden aus niedriger Schicht ist in allen Hochschulsektoren zurückgegangen, derjenige aus hoher Schicht hat zugenommen." Mögliche Erklärungen könnten "Veränderungen in der Gesamtbevölkerung, unterschiedliche Verweildauern an den Hochschulen (schnelleres Studium, vorgezogener Studienabbruch?) oder schichtspezifische Abbruchquoten" sein, heißt es in der Studie von Unger und Angela Wroblewski.

Die Studiengebühr führte zu keinen Einbrüchen. "Die Expansion der Bildungsbeteiligung setzt auch nach Einführung der Studienbeiträge unvermittelt fort."

Co-Autorin Wroblewski wies auf die "extrem heterogenen Gruppen" hin. Thema Erwerbstätigkeit: 60 Prozent der Studierenden arbeiten "in irgendeiner Form" während des Semesters (leichter Rückgang gegenüber 2003 mit 66,6 Prozent), ein Viertel in den Ferien, 15 Prozent gar nicht. Im Schnitt wird 19 Stunden wöchentlich gearbeitet, ein Viertel bis zu zehn Stunden in der Woche, elf Prozent haben Fulltime-Jobs. Es gilt, je älter und je niedriger die Herkunftsschicht, desto erwerbstätiger.

72 Prozent sagen, dass die Arbeit für den Lebensunterhalt unbedingt erforderlich ist. Ebenso viele klagen, dass es schwierig sei, Studium und Job unter einen Hut zu bringen. Mehr als die Hälfte kommt mit dem Geld gut oder sehr gut aus, 15 Prozent aber sehr schlecht, vor allem Ältere, aus niedrigeren Schichten oder mit Kind (ihre Zahl ist deutlich von 10,8 auf 7,2 Prozent gesunken). Warum, kann die Studie nicht beantworten.

FH-Studierende sind "deutlich zufriedener als Studierende an Universitäten", wo 40 Prozent klagen, "langsamer voranzukommen als geplant".

Wissenschaftsminister Johannes Hahn (VP) las aus dem Bericht, dass sich die "Lebensumstände der Studenten nicht verschlechtert haben, sie sind vielleicht sogar tendenziell besser geworden". Was er auch auf die Studienbeihilfenentwicklung zurückführt. (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD Printausgabe, 26. Juli 2007)