Der neue Intendant der Salzburger Festspiele, Jürgen Flimm, raucht derzeit nur vier Zigaretten pro Tag: "Für meine Verhältnisse ist das ziemlich gut."

Foto: Salburger Festspiele / Franz Neumayr

Am Samstag starten die diesjährigen Salzburger Festspiele. Ihr neuer Intendant Jürgen Flimm erklärt im Gespräch mit Ljubiša Tošic, warum er sich mit Kommentaren zur Kulturpolitik eher zurückhält, und er erwägt, vorläufig noch spielerisch und heiter, Sparmaßnahmen.

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Salzburg – Jeder Intendant hat so seine Methoden, die Salzburger Stresswochen gut zu überstehen. Jürgen Flimm, erstmals für das Programm verantwortlich, verzichtet auf Alkohol und gönnt sich für die Phase der Festspiele nicht mehr als vier Zigaretten täglich – "für meine Verhältnisse ist das ziemlich gut!" Trotz seiner jahrzehntelangen Branchenerfahrung ist er ein wenig angespannt, denn "hinter jeder Ecke lauern Kleinigkeiten, die schief gehen können". Standard: Sie kamen als Intendant an einen Ort zurück, von dem Sie nach einem Streit als Theaterchef im Mozartjahr weggegangen sind. Flimm: Streit ist zu viel gesagt. Ich habe nur versucht, das Schauspiel für das Mozartjahr auszurüsten. Wir hatten witzige Einfälle, aber die haben Ruzicka nicht interessiert, er hat mich ein bisschen auf die Pernerinsel abgeschoben. Ich hab denen gesagt, "ihr braucht ja gar keinen Schauspielchef", und ging. Die Ironie an der Geschichte war, dass dann Ruzickas Vorgänger Mortier mit der Idee kam, ich solle die Ruhr-Triennale machen. Und kaum, dass ich da unterschrieben hatte, kam Salzburg. Standard: Nun betreuen Sie zwei Festivals gleichzeitig. Flimm: Das zweite fängt ja im September an, da ist alles entschieden; bisher hat mich auch noch keiner um Hilfe gerufen, da gibt es ab und zu ein Telefonat. Mein Vertrag dort geht bis Oktober, dann ist es vorbei. Standard: Vergleichen Sie doch einmal die Salzburger Intendanten. Flimm: Mortier, der geborene Impresario, richtet sich die Welt so ein, wie er sie gerne hätte. Ruzicka: klug, dezidiert und genau. Ich bin eher ein Zigeuner. Wir haben ja Zigeuner in der Familie. Mütterlicherseits heißen wir Vargas – das heißt "der freie Mann". Standard: Na, so frei sind Sie in Salzburg auch wieder nicht. Flimm: Aber klar. Hier geht es ja nicht nur um die Wochen des Festivals. Es geht hier eigentlich das ganze Jahr lang. Was wir hier machen ist eine ganze Opern-, Konzert- und Schauspielsaison auf einige Wochen zu komprimieren. Standard: Ihr heuriges Opernprogramm, eine Art Raritätensammlung, hat sich einfach so ergeben? Flimm: Man redet mit den Künstlern, fragt, was sie interessiert, so bilden sich Produktionen heraus. Man stellt etwa fest, dass Eugen Onegin noch nie hier war, und das ist dann auch ein Argument. Standard: Sie werden eine Eröffnungsrede halten. Wollen Sie sich vorstellen? Flimm: Nein, das muss ich doch nicht! Ich werde über unser schwieriges Verhältnis zur Moderne reden. Auf Salzburg bezogen heißt das, dass wir einen Nachholbedarf haben. Ob das in Form von Uraufführungen sein muss, weiß ich nicht. Wir sind da auch im Gespräch mit dem Wolfgang Rihm. Sicher müssen wir uns um die Werke der klassischen Moderne kümmern. Standard: Da scheint sich aber in diesem Jahr eher der Konzertchef, Markus Hinterhäuser, darum zu kümmern. Die Zusammenarbeit funktioniert? Flimm: Wunderbar! Er war mein Lektor für die Rede. Standard: Bleibt für ihn genug Gestaltungsspielraum – auch finanziell? Flimm: Wissen Sie, wie das Budget hier entsteht? Das ist interessant! Wir sagen etwa, wir wollen Benvenuto Cellini machen. Dann schätzen wir die Auslastung, so auf 83 Prozent. Das ergibt eine Summe X, mit der produziert werden muss. Jetzt sind wir bei Cellini über dem, was wir kalkuliert haben. Somit fangen wir tatsächlich an, Geld zu verdienen. Markus macht das ähnlich. So ist das System, weil wir nicht genug Subventionen bekommen. Wir haben eine Eigendeckung von über 70 Prozent, die Kartenpreise sind unter diesen Bedingungen unsere Existenzgrundlage. Standard: Kooperationen sind heikel, helfen aber finanziell. Flimm: Der neue Staatsopernchef Dominique Meyer kommt jetzt, wir werden sehen. Holender und ich haben ja auch Werktitel ausgetauscht, aber keine Schnittmengen gefunden. Mit Simon Rattle und den Osterfestspielen sind wir im Gespräch für die Zeit nach ihrem Ring. Auch Mortier kommt vorbei, mal sehen … Standard: Lou Reed war auch da, kommt da ein Projekt? Flimm: Wir werden sehen. Mit den Rockern ist das ja anders, die haben ein anderes Zeitgefühl. Standard: Auch die Politik wird vorbeikommen, da sind Sie ja eher zurückhaltend mit Kommentaren. Flimm: Ich hab genug zu tun! Es gab doch bislang keinen Grund, sich einzumischen. Standard: Na, ja, zumindest die Kulturpolitik, die Sie ja finanziell belastet, könnte Sie animieren, deutlich zu werden. Flimm: Da machen wir ja auch was, aber nicht wie auf dem Marktplatz. Helga Rabl-Stadler ist da unterwegs, die kennt jede Etage. Standard: Was passiert, wenn die 1,5 Millionen, die für 2009 fehlen, nicht kommen? Sie könnten ja androhen, einmal keine Premieren zu machen. Flimm: Das interessiert doch keinen, die sagen dann: "Macht halt Wiederaufnahmen." Mir hat unlängst ein Journalist eine witzige Idee vorgeschlagen. Wenn wir zehn Prozent weniger Geld haben, sollen wir jedes Konzert früher beenden. Da dreht sich dann der Dirigent um und sagt: "Die zehn Prozent, die jetzt kämen, mussten wir leider einsparen." Wenn der Riccardo Muti die Unvollendete von Schubert dirigiert, beendet er das früher und sagt: "Jetzt ist sie wirklich unvollendet." Oder Jedermann stirbt einfach nicht – zehn Prozent eingespart! Na, ja, das fällt natürlich ins Anekdotische. Standard: Einiges jetzt im Schnelldurchlauf bitte. Sie bleiben nicht mehr als fünf Jahre? Flimm: Ja. Standard: Wird Placido Domingo nächstes Jahr "Romeo und Julia" dirigieren? Flimm: Ein großer Musiker, aber das ist noch nicht sicher. Standard: Wird das Cleveland Orchestra mit Franz Welser-Möst eine Opernproduktion bestreiten? Flimm: Ja, der Rest ist ein Geheimnis. Standard: Dass der Absagebrief von Neil Shicoff an die Öffentlichkeit kam, war eine Rache des Intendanten Flimm. Flimm: Nein, das war abgesprochen, es sollten keine Gerüchte aufkommen. So wie man mit dem umgegangen ist, das war suboptimal. Standard: Operette in Salzburg? Flimm: Offenbach muss einmal sein. Standard: Kommt Ihr Vorgänger heuer vorbei? Flimm: Peter Ruzicka bekommt einen Preis – benannt nach dem vorigen Bundeskanzler. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.7.2007)