"Die RichterInnen und StaatsanwältInnen erwarten eine verantwortungsvollere, der Gewaltenteilung Respekt zollende politische Willensbildung."

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"Der jetzige Entwurf sieht nicht die Stärkung der Unabhängigkeit, sondern die Verstärkung der Abhängigkeit vor." Barbara Helige, Präsidentin der Richtervereinigung, zeigt sich unzufrieden mit den von der koalitionären Arbeitsgruppe ausformulierten Vorschlägen zu einer Staats- und Verwaltungsreform. "Die Herren haben sich ins Kämmerlein zurückgezogen und ein Papier ausgearbeitet, das nicht den Vorgaben des Verfassungskonvents entspricht".

Von Barbara Helige geäußerte Kritikpunkte: Der im Verfassungskonvent angedachte Rat der Gerichtsbarkeit wurde im Entwurf nicht berücksichtigt und die Bestands- und Funktionsgarantie für die Staatsanwaltschaft in der Verfassung wurde ausgespart. Stattdessen soll es einen Unterausschuss zur Kontrolle des Weisungsrechts geben. "Dadurch wird der politische Einfluss gestärkt", warnt Helige.

Im STANDARD-Interview fordert Helige ein "nicht-politisches Weisungsoberhaupt", nämlich den Chef der Generalprokuratur, also des Anwalts der Republik.

Politischer Einfluss

Die Präsidentin der Richtervereinigung bezeichnet die mögliche Etablierung einer Justizanwaltschaft als einen "massiven Eingriff. Für sie führt auch das geplante Kontrollorgan zu verstärktem "politischem Einfluss". Denn laut vorgelegtem Entwurf soll der Justizanwalt zwar ein Richter - und kein Politiker - sein, aber vom Nationalrat ernannt werden. "Und das ist eine politische Entscheidung", so Helige, die auch verfassungsrechtliche Bedenken äußert: "Das ist ein Eingriff in die Gewaltenteilung, der einer Volksabstimmung bedarf."

Eingriff in Rechtssprechung

Am meisten stört die Richtervereinigung, die im Übrigen selbst an einem Konzept für eine "Justiz-Beschwerdestelle" arbeitet, die Möglichkeit, dass der Justizanwalt in die Rechtssprechung eingreifen können soll. Das könne man aus den Erläuterungen, die dem Entwurf zur Verfassungsreform beiliegen, deutliche herauslesen, so Helige. Dem Justizanwalt seien Ablehnungsrechte gewährt, das heißt RichterInnen können von ihm in bestimmten Prozessen abgelehnt werden. Als "abenteuerlich" bezeichnet Helige, dass der Justizanwalt RichterInnen vorschlagen kann, "wie sie zu entscheiden haben".

Kein Zufall

"Der Justizanwalt ist ein gelernter Richter, der vom Parlament abhängig ist", resümiert Helige. Und sie glaubt nicht, dass es ein "Zufall" ist, dass der Entwurf eine Steigerung der politischen Einflussnahme in die Gerichtsbarkeit vorsieht. Laut Helige sind "höchstpersönliche Interessen" in den Entwurf der rot-schwarzen Expertengruppe eingeflossen.

"In der einzelnen Strafsache soll die Politik nicht mitreden. Die Politische Willensbildung muss mehr Respekt vor der unabhängigen Gerichtsbarkeit haben", fordert Barbara Helige abschließend. Und sie richtet einen Appell an die politischen EntscheidungsträgerInnen: "Die RichterInnen und StaatsanwältInnen erwarten eine verantwortungsvollere, der Gewaltenteilung Respekt zollende politische Willensbildung." (rwh/derStandard.at, 27.7.2007)