Zahnloser "Boris"

An Christiane Pohles Inszenierung von Thomas Bernhards "Ein Fest für Boris" lassen die Kritiker kaum ein gutes Bein: Christopher Schmidt (SZ) spricht von einer leer drehenden Inszenierung und schließt: Bei Christiane Pohle haben zwar die Krüppel noch ihre Beine, dafür sind sie zahnlos.

Gerhard Stadelmaier (FAZ) erlitt einen beinvollen Premierenabend mit Psychoverkleinerungen und Selbstdemütigungskitsch und begründet sein Leiden u.a. so:

Die Regie ist zu freundlich zu diesem Stück. Wo Thomas Bernhard die Nachtseite einer rebellischen Tragödie ohne Hoffnung in Grellschwarz ausmalt, versucht die Regie dieser Schwärze ein Lore-Roman-Rosa beizumischen - die Farbmischung ergibt Grau. Bei Bernhard herrscht Eiseshöllenhitze, bei Christiane Pohle laue Wohltemperiertheit. Stadelmaiers Facit: "Ein Fest für Boris" bleibt wie alle Erstlingshöllen die ungehobeltste. In Salzburg hat man sie fade glattgeschmirgelt.

Paul Jandl (NZZ) stimmt unter dem Titel Asyl für Philanthropen in die Klagerufe mit ein:

Die diätetische Harmlosigkeit dieser Inszenierung hat geradezu rückwirkende Kraft. Überall langweilig blühende Menschlichkeit in einer Aufführung, die zur Wiedergutmachung hätte werden können. Wenn Christiane Pohles Inszenierung von "Ein Fest für Boris" Thomas Bernhard zu den Salzburger Festspielen zurückbringt, dann mit zweifelhaftem Erfolg: Bernhard ist jetzt stubenrein

Auch Ulrich Weinzierl (Welt) ist unzufrieden, lässt aber immerhin Teile der Inszenierung gelten: Das Schluchzfinale ist eine grobe Verharmlosung, an der Grenze zum Kitsch. Schade um die besseren zwei Drittel der Premiere.

Peter Michalzik (FR) sieht es ähnlich: Zwei Vorspiele lang ist die Aufführung spannend, als es zur Hauptsache kommt, verliert sie sich.

Seelenlose "Armida"?

Michael Brug (Welt) hat sich bei Christof Loys Inszenierung der Hadyn-Oper "Armida" nur gelangweilt, denn:

Armida brennt kein Feuer unterm Hintern. Über gepflegtes Philologeninteresse hinaus langt es einfach nicht bei diesem auf ein anonymes und konfuses Libretto montierten Werk. Hier flammt es nicht kreativ, hier glimmt es nur im tönenden Ungefähr. Eine fade Oper verpufft folgenlos im falschen Raum. Inszenator Christof Loy konnte und wollte offenbar nichts wirklich retten, interpretiert kaum, dekoriert nur.

Nicht minder unterkühlt die Besprechung von Reinhard J. Brembeck in der SZ, der immer wieder eine Fitnesstruppe dekorativ über die Bühne sausen sieht, was weniger an Krieg denn Aerobic erinnert. Zudem vermisse er bei "Armida"-Sängerin Annette Dasch den vokalen Furor.

Peter Hagmann (NZZ) war offenbar in einer anderen Aufführung:

Und jetzt diese Überraschung. Eine Geschichte aus der Zeit der Kreuzzüge, die musikalische Form der Opera seria, die schon im mittleren 18. Jahrhundert als altmodisch galt - und ein Abend in der Salzburger Felsenreitschule, der von Gegenwärtigkeit nur so vibriert. Sollte dieser in jeder Hinsicht blendende Einstieg Programm sein, darf man auf weitere Taten fürwahr gespannt sein.

Julia Spinola (FAZ) lobt die Sinnlichkeit der Aufführung und spricht von purem Opernglück. (mj/DER STANDARD, Printausgabe, 31.7.2007)