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Sopranistin Christine Schäfer, hier mit Andreas Scholl, ließ Anna Netrebko vergessen.

Foto: APA / SALZBURGER FESTSPIELE/WOLFGANG IENBACHER

Salzburg - Stimmen wollte man hören, und Stimmen hat man bekommen, trotz der Absagen von Anna Netrebko und Elina Garanca wohl zwei der besten, die derzeit für Giovanni Battista Pergolesis Stabat Mater zu wünschen sind. Christine Schäfer verlieh der Marienklage mit ihrer klar und präzise über die Lagen geführten Stimme geradezu überirdischen Glanz.

Und der Countertenor Andreas Scholl, ein ausgewiesener Experte für Alte Musik, ist ohnehin "die" Besetzung für den Alt-Part. Scholl ist eine Ausnahmeerscheinung, ein Künstler, der die wohl "künstlichste" Art des Singens als die natürlichste Sache der Welt erscheinen lässt. Sein Countertenor hat nichts von der flächigen Weichheit, die die Stimmen auch guter Techniker oft diffus wirken lässt. Sein Stimmsitz ist präzise, doch nie eng im Ansatz, Kantilene und Klang sind in jeder Lage vollendet abgerundet. Das waren vierzig Minuten aus dem Musterbuch der Gesangskultur.

Seltsam dafür die vorangegangen zwei Drittel des überlangen Konzertabends, mit Streicher- und Solokonzerten sowie Arien von Antonio Vivaldi. Seltsamer freilich noch die Qualität des Orchesters. Es gibt ja mittlerweile viele, viele Originalklangensembles. Das "Orchestra Barocca di Venezia", unter der Leitung von Andrea Marcon, ist eines der weniger prominenten.

Nicht dass es an Artikulationsfähigkeit, Phrasierungswillen oder Spiellust gemangelt hätte. Schmerzhaft vermisst wurden allerdings Intonationssicherheit und einheitlicher Ensembleklang. In den Vivaldi-Konzerten für Laute (D-Dur RV 93) und Violoncello (RV 419) fanden Solisten und Ensemble nur in den jeweils langsamen Sätzen einen gemeinsamen Atem.

Letztlich wirkte ja auch das Stabat Mater, als ob mit kostbarem Gold- und Silbergarn auf zerschlissenem Leinen gestickt worden wäre. Schon die ersten Akkorde der Einleitung, die mit ihren sich reibenden Klangfäden unwiderstehlich in das intime und dabei so dramatische Werk hinein ziehen müssten, waren ärgerlich zerfleddert und zerrissen.

Mit dem ersten Einsatz der Stimmen konnte man dieses Ärgernis zwar weitgehend vergessen: Christine Schäfer und Andreas Scholl führten mit ihrer feinziselierten und doch so farbkräftigen Interpretation mühelos über das Vakuum im Orchester hinweg. In den Vor- und Zwischenspielen, diesen beredten Miniaturen, die Leid und Schmerz eindringlich schildern, machte sich das Fehlen eines adäquaten Orchesters jedoch mehr als deutlich bemerkbar. Im Orchesterbereich also kein Festspielniveau. (Heidemarie Klabacher / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.8.2007)