Im Gastblog erzählt die Historikerin Petra Svatek von der Bedeutung der österreichisch-ungarischen Reise in den hohen Norden.

Am 13. Juni 1872 verließ die Österreichisch-Ungarische Nordpolexpedition unter der Leitung der beiden Offiziere und Forscher Julius Payer und Carl Weyprecht mit dem Schiff "Admiral Tegetthoff" Bremerhaven. Die Expedition hatte zum Ziel, auf dem Seeweg möglichst weit zum Nordpol vorzustoßen und eine Schiffspassage um den asiatischen Kontinent herum zu erkunden. Bereits Ende August jedoch wurde das Schiff im Packeis eingeschlossen und driftete in den folgenden Monaten auf einer Eisscholle nach Norden. Am 30. August 1873 sichtete die 24-köpfige Besatzung eine bisher unentdeckte Inselgruppe, der sie den Namen Franz-Josef-Land gaben. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften zeigt aus Anlass dieser 150-jährigen Entdeckung im Bibliothekssaal vom 24. Mai bis zum 14. Juli 2023 eine kleine Ausstellung, die sich mit der Expedition, mit dem Ersten Internationalen Polarjahr 1882/83 und mit den Auswirkungen der Forschungen auf die Umwelt auseinandersetzt.

Alte Fotografie von einem Boots- und Anemometerhaus.
Boots- und Anemometerhaus 1882/83 auf der Insel Jan Mayen.
Foto: ÖAW AW-IV: PO/Ark 71

Schlittenfahrten auf Franz-Josef-Land

Das neu entdeckte Franz-Josef-Land wurde schließlich im Frühjahr 1874 erkundet. Während dreier Schlittenreisen erreichte die Mannschaft bei Kap Fligely den nördlichsten Punkt Eurasiens und stellte die erste Karte von Franz-Josef-Land her. Die entdeckten Inseln, Gletscher, Berge und Buchten erhielten Namen nach österreichischen Regionen, Städten und berühmten Persönlichkeiten. Ein Gletscher wurde zum Beispiel nach dem Geographen Friedrich Simony benannt, eine Insel nach dem Mäzen Johann Nepomuk Graf Wilczek und ein Landstrich nach Kronprinz Rudolf. Obwohl die Expedition weniger eine reale Kolonialisierung als Ziel hatte, bedeutete diese Namensgebung zumindest eine symbolische Landnahme und einen Machtanspruch auf das neu entdeckte Gebiet. Da das Schiff der Expedition am Beginn des Sommers 1874 noch immer im Eis festsaß, beschloss die Besatzung, es aufzugeben. Nach einem Fußmarsch und der Rettung durch russische Fischerboote trafen die 23 verbliebenen Expeditionsteilnehmer am 25. September in Wien ein. Verstorben ist nur ein Mitglied der Mannschaft, der Maschinist Otto Krisch, an den Folgen einer Tuberkulose.

Altes Bild einer Schlittenexpedition.
Schlittenexpedition auf Kronprinz-Rudolf-Land 1874.
Foto: ÖAW AW-IV: PO/Ark 62

Erstes Internationales Polarjahr

Nach der Rückkehr führte das Engagement von Carl Weyprecht zur Ausrichtung des Ersten Internationalen Polarjahres 1882/83, was schließlich eine systematische Erforschung der Polarregionen einleitete. Österreich-Ungarn betrieb in diesem Jahr eine Forschungsstation auf der Insel Jan Mayen. Die 14-köpfige Mannschaft errichtete eine Forschungsstation, die für die kommenden 13 Monate als Basis für astronomische, meteorologische, zoologische, botanische, hydrologische, erdmagnetische und geologische Forschungen diente. Zudem fertigte man die erste Spezialkarte nördlich des Polarkreises an. Dabei hatte es die Mannschaft alles andere als leicht: Sie kämpfte mit einem wankenden Vermessungstisch infolge starker Winde und mit enormer Luftfeuchtigkeit, die dazu führte, dass das Papier aufgeweicht und die darauf eingetragenen Vermessungsergebnisse verzerrt wurden.

Karte des Franz-Josef-Landes.
Karte des Franz-Josef-Landes.
Foto: ÖAW R-II: PO/Ark 64

Die bedrohte Polarregion

Dieses Internationale Polarjahr und alle anderen Forschungen führten schließlich zu einer Bestandsaufnahme wirtschaftlich nutzbarer Ressourcen, welche eine Kolonisierung mit massiven Auswirkungen auf die indigene Bevölkerung und die Landschaft zur Folge hatte. Die Arktis wird heute nicht nur durch den Abbau an fossilen Energieträgern und wichtigen Mineralen, sondern auch durch Plastikmüll, Abwässer, Schadstoffen in der Luft und nukleare Abfälle verseucht. Zudem ist nirgends auf der Welt der Klimawandel so sichtbar wie in der Arktis, wodurch dessen Erforschung für die gesamte Menschheit von großer Bedeutung ist. Denn nur so kann auf die rapiden Änderungen des menschengemachten Klimawandels auf globaler Ebene adäquat reagiert werden. (Petra Svatek, 25.5.2023)