Eine Mutter schaut auf ihr Smartphone, ihr Sohn umarmt sie und will ihre Aufmerksamkeit gewinnen.
Legen Eltern das Smartphone möglichst häufig zur Seite, ist da mehr Platz für Blickkontakt und Beziehung zu ihren Kindern.
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"Mamaaaaaa, du schaust die ganze Zeit nur auf dein Handy!", schreit der Fünfjährige. Er schubst mich und katapultiert mich damit raus aus dem kleinen Display rein ins Hier und Jetzt. Er schaut böse. Dabei wollte ich nur schnell einer Freundin auf Whatsapp schreiben. Und die E-Mail vom Kindergarten lesen. Und schauen, wann der Kinderarzt morgen aufsperrt. Ah ja, und ...

Eine Woche Pause

Mein Sohn hat recht. Ich klebe ständig am Handy. Ich habe mein Hirn, mehr noch: unser Leben darauf ausgelagert. Während die Kinder im Sandkasten spielen, bestelle ich Kurzarm-Bodys in Größe 86/92. Auf dem Klo melde ich den Großen für den Schwimmkurs an. Während das Nudelwasser kocht, antworte ich der Mama aus der Kindergruppe, ja, wir nehmen das Laufrad gerne. Zwischendurch chatte ich auch mal einer Freundin. Mit Kleinkindern und Job ist es oft die einzige Möglichkeit, um überhaupt mit Freunden in Kontakt zu bleiben. Und dann kippe ich ins Rabbit-Hole: Instagram, Youtube, Tiktok, Instagram, Youtube ...

"Warte, gleich, sofort". Dauernd vertröste ich die Kids, während ich aufs Handy glotze. Ich kann es selbst nicht mehr hören. Dazu kommt das schlechte Gewissen. Weil ich so als Mama zu wenig präsent bin. Weil die Kinder selbst schon auf das Handy fixiert sind.

Ich beschließe: Die Kinder und ich, wir brauchen eine Handy-Pause! Die Regel für den Selbstversuch lautet: Eine Woche lang darf ich nur vormittags in der Arbeit und abends, wenn die Kids schlafen, das Smartphone verwenden.

Das Tagebuch

Tag 1

Es ist Samstag, wir starten gemütlich in den Tag. Ich bin extrem motiviert, aber schon beim Frühstück melden sich die ersten Entzugserscheinungen. Phantomschmerz, weil mein Smartphone nicht neben mir liegt. Die Kinder und ich machen Pancakes, das lenkt ab. Der Fünfjährige lernt Äpfelschälen. Der Zweijährige schneidet das Obst. Im Laufe des Tages vermisse nicht nur ich das Handy, auch die Kids fragen danach. Ich bleibe konsequent, wir besuchen die Großeltern. Dort ist viel los, die Fragen verstummen.

Tag 2

Heute ist Muttertag. Die Kinder und mein Mann haben den Tisch gedeckt. Mit Blumen, Zeichnungen, sogar Duplo-Bauwerke liegen da. Ich will ein Foto! Für mich, für Insta. Aber ich habe ja kein Handy, Mist. Also krame ich die alte Spiegelreflexkamera hervor. Die Kinder schauen, als hätte ich einen Dinosaurier ausgegraben. Mein Großer ist begeistert. Den Rest des Tages fotografiert er damit. Jackpot!

Tag 3

Das große Kind ist krank. Fieber, Halsschmerzen, Ausschlag. Ich möchte auf der Stelle Symptome in die Suchmaschine klopfen, recherchieren, mutmaßen. Darf ich aber nicht. Stattdessen rufe ich brav den Kinderarzt an, vereinbare einen Termin. Dann wissen wir: Scharlach.

Tag 4

Heute verfluche ich das Experiment. Das Kind hockt krank zu Hause, wir haben keinen Fernseher, und mein Smartphone ist tabu. Wie sollen wir den Tag rumbringen? Ein Vorlesemarathon? Die Nachbarin bringt fünf Tonie-Figuren vorbei. Diese Hörspiele beschäftigen uns erstaunlich, mit den Figuren spielen wir sie dann noch nach. Der Patient fragt kein einziges Mal nach dem Handy.

Tag 5

Tiefpunkt. Jetzt ist auch der Kleine krank. Ich gebe auf, ich schummle. Der Kleine darf sich Traktoren auf Youtube ansehen, damit ich kurz Pause habe. Und ich verziehe mich zwischendurch mit Handy aufs Klo, ein wenig Whatsapp als Ablenkung.

Tag 6

Heute ist Feiertag. Das Handy bleibt in der Schublade. Die Kinder wollen basteln, ein Lichterschwert soll es sein. Normalerweise schaue ich dafür zuerst auf Pinterest. Der Große übernimmt, er hat super Ideen und kann prima anleiten. Am Ende ist er stolz, weil die blaue Küchenrollenstange allein sein Werk ist.

Tag 7

Ich bin fast traurig, dass unser Selbstversuch zu Ende geht. Mein Mann und ich treffen eine Vereinbarung: Am Esstisch gibt es ab jetzt Handyverbot. Außerdem bekommen unsere Smartphones einen fixen Platz, wie früher die Kabeltelefone. Das soll die permanente Verwendung einschränken.

Fazit: Die Mental Load, die ich als Mutter trage, ist durch das Digital Detox leichter geworden. Die Pause hat gutgetan, uns allen. Ich fühle mich weniger gestresst im Alltag mit den Kindern. Das schlechte Gewissen bleibt auch aus. Vieles kann bis zum Abend warten, das weiß ich jetzt. (Nadja Kupsa, 2.6.2023)