Der aktuelle Hype rund um das Thema künstliche Intelligenz (KI) hat in den vergangenen Wochen ein ungewöhnliches Phänomen produziert. Ausgerechnet viele von jenen, die sich früh mit dem Thema auseinandergesetzt haben, warnen mit großen Worten vor den Gefahren der Technologie. Tesla-Chef Elon Musk zählt ebenso zu dieser Riege wie KI-Pionier Geoffrey Hinton, der extra seinen Arbeitgeber Google verließ, um unbeeinflusst vor den Gefahren dieses Umbruchs warnen zu können.

Existenzbedrohend?

Nun reiht sich der nächste große Name in diese Riege ein: Der ehemalige Google-Chef Eric Schmidt zeigte sich im Rahmen einer Veranstaltung des "Wall Street Journal" davon überzeugt, dass KI eine "existenzielle Bedrohung" für die Menschheit darstellt. Als eine solche definiert er, dass KI im schlimmsten Fall dazu führen könnte, dass viele Menschen "verletzt oder getötet" werden könnten.

Eric Schmidt, ehemaliger Chef von Google
Ex-Google-Chef Eric Schmidt warnt vor KI.
REUTERS

Allerdings relativierte Schmidt diese Aussage anschließend zumindest ein Stück weit. Aktuell sieht er diese Bedrohung nämlich noch nicht gegeben. Er könne sich aber vorstellen, dass schon bald Maschinen neue biologische Arten erfinden könnten. Auch dass eine KI selbsttätig Sicherheitslücken in Systemen findet und ausnutzt – mit verheerenden Konsequenzen – sei denkbar.

Was tun! Aber was?

Schmidt ist jedenfalls davon überzeugt, dass die Menschheit sich auf solche Gefahren umgehend vorbereiten müsse. Es müsse also sichergestellt werden, dass KI-Systeme nicht von "üblen Menschen missbraucht" werden könnten. Wie das aussehen könnte, ließ er allerdings offen.

Interessant sind diese Aussagen auch deswegen, weil sich Schmidt erst unlängst gegen eine staatliche Regulierung von KI ausgesprochen hat. Diese Aufgabe sollte den Big-Tech-Konzernen überlassen werden, da sie besser wüssten, was zu tun sei. Die genannten Unternehmen selbst sehen das übrigens anders, egal ob Google oder Microsoft, alle fordern sie selbst staatliche Regulierung – wenn auch natürlich nicht in jener Intensität, wie sie etwa derzeit der EU vorschwebt.

Vorgeschichte

Zumindest kann man Schmidt keine Ahnungslosigkeit in dieser Frage unterstellen. So hatte er nicht nur in seiner Zeit bei Google bereits viel mit diesen Themen zu tun, er war auch Vorsitzender der National Security Commission on Artificial Intelligence, die 2021 einen umfangreichen Bericht zu diesem Thema verfasste. Schon dort hieß es, dass die USA nicht auf die nahende KI-Revolution vorbereitet seien. Das gelte sowohl für die Auswirkungen auf die Wirtschaft als auch für die nationale Sicherheit. Als eine zentrale Bedrohung sah die Kommission damals aber nicht nur KI an sich, sondern auch die Stärke Chinas bei diesem Thema im Speziellen.

Doomsday-Szenarien

Anfang März hatten rund 2.800 Unterzeichner, darunter Tesla-Chef Elon Musk, Apple-Gründer Steve Wozniak und zahlreiche KI-Forscher, in einem offenen Brief vor den langfristigen Gefahren von künstlicher Intelligenz gewarnt. Das hatte zwar für viel Aufsehen gesorgt, den Beteiligten aber selbst wiederum Kritik eingebracht.

So warfen prominente KI-Ethikerinnen den Unterzeichnern vor, durch langfristige Horrorszenarien die realen – und drängenden – Probleme von KI verschleiern zu wollen. Dazu zählen etwa die Ausbeutung von Billigarbeitskräften beim Trainieren der dahinterstehenden Modelle oder die Reproduktion von Vorurteilen und Unterdrückungssystemen, die aktuellen KI-Systemen immanent sind. Durch eine Überhöhung der Fähigkeiten von KI-Systemen werde zudem so getan, als wären diese nicht steuerbar, womit man auch die Verantwortung für die gesellschaftlichen Auswirkungen ablege.

Kriegseinsatz

Schmidt ist übrigens selbst Investor in KI-Unternehmen, und dabei in welche, die tatsächliche Tote zur Folge haben könnten. Wie vor einigen Wochen bekannt wurde, ist er gleich an mehreren Start-ups beteiligt, die die Effektivität von Kriegsmaschinen verbessern sollen. (apo, 25.5.2023)