Die Anschlagspläne aus dem Jahr 2021 waren erst durch den jüngst präsentierten Verfassungsschutzbericht publik geworden. Es gab Hinweise darauf, dass ein Rechtsextremer einen Anschlag auf das Volksstimme-Fest der KPÖ geplant haben soll, ist darin zu lesen. Bei dem Mann wurden nicht nur zahlreiche Waffen sowie Sprengmittel gefunden, sondern auch eine Datei mit dem Namen "Freundes- und Feindesliste".

Volksstimme-Fest 2021.
Foto: KPÖ

Keine Warnung

Weder die KPÖ noch die Personen auf diesen Listen wurden von den Behörden gewarnt. "Die Polizei tritt nicht an Zielgruppen heran, wenn die Informationsweitergabe keinen sicherheitspolizeilichen Mehrwert erkennen lässt und bloße Diskontinuitäten und Störungen des öffentlichen Lebens hervorrufen würde", hieß es in einer Stellungnahme. Auch sei der Rechtsextremist "ein (auto-)radikalisierter Einzeltäter", der zum Zeitpunkt des Festes in Untersuchungshaft saß.

Allerdings belegen Recherchen von antifaschistischen Gruppen und auch der Verfassungsschutzbericht selbst, dass der Mann sich seit Jahren in der rechtsextremen Szene bewegt, etwa im Umfeld der Identitären.

Antifaschistische Demonstration in Wien im April 2022.
Foto: Markus Sulzbacher

Anschlag auf Wiesenthal

Dabei ist mit Feindlisten von Rechtsextremen nicht zu spaßen. Anfang der 1980er-Jahre bombten sich Neonazis durch so eine Liste, die zuvor zusammen mit einer Untergrundzeitschrift verbreitet wurde. Zu den Zielen zählten Simon Wiesenthal ebenso wie Filialen der Bekleidungskette Schöps, deren Besitzer ein Jude war. Den Tätern kam nicht die Polizei auf die Spur. Sie wurden verraten, weil einigen der Kameraden die Sache zu heiß wurde. Als die Täter vor Gericht standen, lagen dem Akt nicht nur die schwarzen Listen, sondern auch Fotos bei, die man von Staatspolizisten bei Treffen mit ihren V-Männern gemacht hatte. Die Staatspolizei (Stapo) war ein Vorläufer der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst, die heute für den Verfassungsschutzbericht zuständig ist.

Durch Zufall entdeckt

In den 1980er-Jahren landete auch ein Wissenschafter auf einer rechtsextremen Feindesliste. Der fand das durch Zufall heraus, als er seinen sogenannten Stapo-Akt durchlas und darin Aufzeichnungen der neonazistischen Aktion Neue Rechte (ANR) entdeckte.

Wie tausende andere Personen hatte der Mann im Frühjahr 1990 um Informationen über etwaige staatspolizeiliche Vormerkungen ersucht. Zuvor war öffentlich geworden, dass die Stapo massenhaft Akten über Bürger und Bürgerinnen angelegt hatte. Um in den Akten zu landen, reichte etwa der Besuch einer Demonstration aus. Nachdem dies bekannt worden war, ließ das Innenministerium eine Auskunftsaktion anrollen. Wer wollte, konnte damals seinen Akt einsehen.

Erbe aus NS-Zeit

Schon 1964 deckte der damalige Innenminister Franz Olah auf, dass die Stapo über "Hunderte, ja Tausende von Menschen" Spitzelakten angelegt hatte. Grundlage der Schnüffelkartei war ein Erbe aus der NS-Zeit: die "Gau-Akten" der Gestapo. Der Inhalt der Dossiers erwies sich gelegentlich als grotesk. Penibel vermerkten die Beamten etwa in den Unterlagen des späteren Bundespräsidenten Franz Jonas, er sei bei einem Empfang "mit löchrigen Socken" observiert worden.

"Mein Gott, es ist ja nichts Negatives."

Der Wissenschafter erfuhr aus den staatspolizeilichen Vormerkungen: "Bei der Hochschulwahl 1981 hätten Sie die linke Basisgruppenliste unterstützt." Und: "Aus dem Jahr 1985: Sie scheinen in der Namenskartei der Aktion Neue Rechte (ANR) als offensichtlicher Gegner der ANR mit dem Vermerk – GRM – auf." Allerdings will der Mann bei einer Demonstration nur einmal neben einem Aktivisten der Gruppe Revolutionärer Marxisten (GRM) gestanden haben, mehr nicht. Gegenüber dem Nachrichtenmagazin Profil bestätigte der damalige Wiener Stapo-Chef, dass die "ANR-Listen ausgewertet wurden. Wir haben das in keiner Weise, weder positiv noch negativ, verifiziert." Und: "Mein Gott, es ist ja nichts Negatives, auf so einer ANR-Liste gestanden zu sein."

Die ANR war eine der radikalsten Neonazi-Gruppierungen der Nachkriegszeit. Ihre Anhänger marschierten mit Uniformen und Mützen nach SS-Art auf, lieferten sich an der Wiener Uni-Rampe regelmäßig Schlägereien mit Antifaschisten und Antifaschistinnen, leugneten öffentlich den Holocaust oder führten Schmieraktionen durch. Einige der damaligen Aktivisten, wie etwa Gottfried Küssel, tauchen seit einigen Jahren bei Corona-Demonstrationen oder anderen Kundgebungen auf.

Fall "Mr. Bond"

Wie Behörden mit rechtsextremen Feindlisten umgehen, sorgte auch im vergangenen Jahr für Schlagzeilen. Während des Prozesses gegen den neonazistischen Rapper Philip H., der als "Mr. Bond" einschlägige Lieder fabrizierte und unter anderem das Manifest des Attentäters von Christchurch übersetzte, wurde bekannt, dass sein Bruder hinter "Judas Watch" steckte. Auf der Website wurden öffentlich Feindeslisten von "Verrätern an der weißen Rasse" und "einflussreichen" Juden und Jüdinnen, inklusive Judenstern, geführt. Der Verfassungsschutz stufte diese Liste als Bedrohung ein und informierte Betroffene – nachdem die Seite medial ein Thema geworden war. Nachdem der Betreiber ausgeforscht worden war, haben aber weder Ermittler noch Justiz sie darüber informiert, dass er gefunden wurde. Ein Vorgehen, das von Betroffenen sehr scharf verurteilt wurde.

Eine Gruppe, die sich für "Mr. Bond" im Netz starkmacht, hat dieser Tage eine Liste von Journalisten und Journalistinnen sowie Namen von Richtern und Staatsanwälten veröffentlicht. Eine neue Feindesliste. (Markus Sulzbacher, 1.6.2023)