Pamela Rendi-Wagner: Wo die einen emotionale Instabilität orten, sehen andere keine.
APA/HELMUT FOHRINGER

Eine Parteichefin weniger in Österreich. Künftig werden nur mehr die Neos mit Beate Meinl-Reisinger von einer Frau geführt. Und das hält uns vermutlich weiter in diesem krampfigen Stadium im Umgang mit Frauen in mächtigen Positionen und in der Öffentlichkeit fest. Dieses Krampfige zeichnet sich dadurch aus, dass man einerseits eine Frau ebenso kritisch und auch hart beurteilen will, wie man es bei einem Mann täte. Alles andere wäre paternalistisch. Andererseits will man aufpassen, dass man sie nicht härter oder nach anderen Kriterien beurteilt. Stichwort Aussehen, das bei Männern noch immer um Längen besser ausgeblendet werden kann. Aber jene, die sich über so etwas Gendanken machen, sind ohnehin nicht das Problem. Sie sind schon auf einem guten Weg, Arbeit, Handlungen oder Aussagen an sich zu bewerten – und nicht vom wem sie kommen.

Das Problem sind vielmehr die, die meinen, sie wären schon so was von Postgender. Dass sie Geschlecht gar nicht wahrnehmen, weil sie so wahnsinnig objektiv seien. Eine solche Selbsteinschätzung stimmte selten mit der Realität überein. Sicher ist es schwer zu beurteilen, wie groß der Genderfaktor im Zutrauen eines bestimmten Jobs ist. Aber bei Rendi-Wanger wurde ihre Befähigung schon von Anfang an intensiver infrage gestellt, als es wahrscheinlich bei einem Mann der Fall gewesen wäre. Und da wusste man noch nichts von späteren inhaltlichen Fehlern.

Old-School-Haltung oder Überschätzung

Wie stark der Blick auf Politikerinnen und Politiker noch immer gegendert ist, das zeigte jedenfalls vergangene Woche Hans Bürger, unter anderem Leiter des Ressorts Innenpolitik, der "Zeit im Bild". In seiner Interpretation des Statements Pamela Rendi-Wagners, in dem sie ihren Rückzug von der Parteispitze ankündigte, griff er tief in die Klischeekiste. Ob das einer Old-School-Haltung geschuldet ist oder der Überzeugung, man hätte mit der Verbreitung von Geschlechterklischees ja so überhaupt nichts mehr zu tun, sei dahingestellt. Für das Ergebnis ändert das wenig.

"Sie wäre emotional nicht in der Lage gewesen, weitere Frage zu beantworten", sagte Bürger, nachdem ihm als Erstes "Bitterkeit" als Beschreibung ihrer angeblichen Verfassung einfiel. Nach fast fünf Jahren Parteivorsitz dieser SPÖ Rendi-Wagner emotionale Schwäche nachzusagen – das ist Chuzpe. Wenn man stark sei, brauche man niemanden, der einen emotional stütze, so Bürger weiter. Die schwache Frau also. Man lehnt sich wohl nicht sehr weit aus dem Fenster, dass daraus bei einem Mann vielmehr eine "hervorragende Vernetzung" mit anderen Mächtigen in der Partei geworden wäre, die aber halt leider auch nix genützt habe.

Auf die hinteren Ränge bitte

Doch wenigstens zeigt sich heute, dass das nur eine Interpretation ist. Denn der ORF-Journalist Jörg Hofer, der ihr Statement vor Ort hörte, sah es ganz anders. Einen "gefestigten Eindruck" habe Rendi-Wanger gemacht. Kurz darauf erwähnt er, was sie alles vor ihrem Job an der Parteispitze gemacht hat, und nennt sie Expertin in Gesundheitsfragen. Das sind interessante Gegensätze: hier die verbitterte Politikerin, die links und rechts von Männern gestützt werden muss, um nicht so ans Ziel zu kommen. Dort die gefasste Politikerin, die auch Gesundheitsexpertin ist, aber als solche sich in der trotz Corona-Krise nicht Gehör verschaffen konnte. Klingt ganz anders.

Bei inhaltlicher Kritik darf Geschlecht keine Rolle spielen, klar. Glaubwürdig ist dies aber nur, wenn man nicht mit Begriffen und Bildern um sich wirft, mit denen Frauen seit Ewigkeiten auf die hinteren Ränge verwiesen werden. (Beate Hausbichler, 27.5.2023)