Tänzerinnen und Tänzer in Schwarz und Weiß auf einer Bühne, in der Mitte die Darstellerin.
Cecilia Bartoli als Orfeo (Mitte).
SF / Monika Rittershaus

Salzburg – Dem gewaltigen Kontinent der Salzburger Festspiele vorgelagert liegt ein kleines, schmuckes Eiland: die Pfingstfestspiele. Als Inselmanagerin schaltet und zwitschert seit einem guten Jahrzehnt (und noch bis 2026) Cecilia Bartoli. Die Auslastungszahlen sind top und erreichten mit 98 Prozent Staatsopernniveau, gut 10.000 Gäste aus 41 Nationen befanden sich zu Pfingsten 2022 als reif für die Insel.

Die italienische Sängerin, die mittlerweile auch die Oper von Monte Carlo leitet, hat bei der Auswahl der Regiekräfte für die szenische Neuproduktion - sie gastiert im Sommer auch auf dem Kontinent - oft ein gutes Händchen gehabt. Wer erinnert sich noch an die Bartoli als Putzkraft eines Schnellrestaurants in Damiano Michielettos Inszenierung von La Cenerentola? Jeder, der sie 2014 erleben durfte.

Ernennung zur Kammersängerin

Nach der (umjubelten) Premiere von Glucks Oper Orfeo ed Euridice ereilte Cecilia Bartoli im Haus für Mozart auf offener Bühne die Ernennung zur Kammersängerin durch die österreichische Staatssekretärin. Andrea Mayer sprach davon, von der Aufführung "emotional aufgewühlt" worden zu sein. Sie muss dabei wohl die musikalische Seite gemeint haben.

Denn Orpheus weinte und kämpfte um seine geliebte, dahingeschiedene Eurydike in einem Raum, der aussah wie der leergeräumte, holzvertäfelte Sitzungssaal einer Privatbank aus dem 19. Jahrhundert, mit einem erhöhten Portal in der Mitte. In die Unterwelt ging es bei Johannes Leiacker (Bühne) also treppauf.

Passend dazu erwies sich die Inszenierung von Christoph Loy (auch Choreographie) als so spannend wie die Lektüre eines Sparbuchs in Niedrigzinszeiten, und in Sachen Kreativität auch ähnlich ertragsarm. Keine Regiearbeit, mehr eine künstlerische Bankrotterklärung. Wenn sich Christoph Willibald Gluck auch noch so sehr abmühte, die Düsternis der Unterwelt oder die paradiesische Natur des Elysiums zu schildern: egal. Auf der Bühne war immer öder Sitzungssaal.

In diesem versuchten immerhin Tänzerinnen und Tänzer etwas Leben in die hölzerne Szenerie zu bringen. Man sah Männer in schwarzen Anzügen und Frauen in weißen Kleidern, die Gefühle durch Bewegungen darstellten. Ein bisschen wie Contemporary bei Let’s Dance im Rahmen einer luxusboutiqueglatten Ästhetik der Reduktion. Wenn man dieses Diätkonzept der Szene auf die Musik übertragen hätte, hätten Chor und Sänger von einem Cembalo statt von einem Orchester begleitet werden müssen. Seit wann ist zu Pfingsten Fastenzeit?

Applaus für die Sympathieträgerin

Glucks Reformoper ist auch eine Choroper. Dieser saß auf Stufen, die zum Orchestergraben führten, was der Produktion den Charakter einer halbszenischen Aufführung gab. Il Canto di Orfeo beeindruckte nicht nur bei den heftigen "No!"-Rufen, als Orfeo die Furien um Gnade bat. Den Musiciens du Prince – Monaco gelangen unter der Leitung von Gianluca Capuano die pastoralen Idyllen (wundervolle Soloflöte!) genauso berührend wie die Trauerklagen. Stimmig, am Ende den eröffnenden Klagechor um Eurydike zu wiederholen und das lieto fine zu verweigern. Der Hit Che farò senza Euridice gab Cecilia Bartoli erst in gehetztem Tempo, dann langsam.

Ach ja, die Bartoli. Der Orfeo ist keine Partie, in der die Mezzo-Koloratursopranistin herumquirlen und-blubbern kann wie bei Rossini. Im schwarzen Anzug (Kostüme: Ursula Renzenbrink) schlug sich die 57-Jährige mit dem quecksilbrig schillernden Timbre achtbar, durchbebte die Töne, plusterte sie auf. Sie brachte auch ihre Pianissimo-Zaubernummer, rollte das Rrrrr dramatisch und litt im kahlen Ambiente glaubhaft. Doch der euphorische Applaus galt am Ende wohl auch ihr als Sympathieträgerin und Chefin. Als Euridice und Amore waren Mélissa Petit und Madison Nonoa zwei charmante Sidekicks in der One-Woman-Show (es wurde die einaktige Parma-Fassung von 1769 gezeigt).

Und was wird nach 2026 mit der Bartoli-Show der Pfingstfestspiele? Die Rosen, die Andrea Mayer der Künstlerin streute, sollten wohl auch den Weg für eine Verlängerung ihres Vertrags schmücken. (Stefan Ender, 27.5.2023)