Rund 108.000 in Österreich lebende türkische Staatsbürger waren wahlberechtigt. Etwa 60 Prozent nahmen an der Stichwahl teil. Sie gaben in überwältigender Mehrheit – 74 Prozent – ihre Stimme für den Autokraten Erdoğan ab. Das Bild ist in Deutschland (67 Prozent) ganz ähnlich. In den Wiener Bezirken mit hohem Türkenanteil wurde lautstark mit türkischen Fahnen auf den Straßen gefeiert. Die türkischen Zuwanderer in Österreich stammen traditionell zu einem großen Teil aus dem ländlichen Anatolien, wo auch Erdoğan die Wahl gewonnen hat.

Die türkischen Zuwanderer in Österreich stammen traditionell zu einem großen Teil aus dem ländlichen Anatolien, wo auch Erdoğan die Wahl gewonnen hat.
REUTERS/UMIT BEKTAS

Die jetzt häufiger gestellte Frage, warum Menschen, die in einer doch freien Gesellschaft mit rechtsstaatlichen Verhältnissen leben, so massiv einen rücksichtslosen Machthaber wählen, ist berechtigt; die Antwort ist entmutigend: Den "einfachen Leuten" – und darum handelt es sich großteils bei den Erdoğan-Wählern in Österreich – sind Nationalismus, Traditionalismus, "starker Mann" wichtiger als Rechtsstaat und Demokratie. Soll übrigens auch bei den Wählern rechtspopulistischer "heimischer" Parteien so ähnlich sein.

Trotzdem: Kann sich das zu einem Problem für Österreich auswirken? Tendenziell ja, wenn Erdoğan versuchen sollte, die Auslandstürken noch viel stärker zu instrumentalisieren, als er es in Ansätzen schon getan hat. Sie sollten dem Gaststaat gegenüber Wohlverhalten üben, sich aber nicht assimilieren, sagte er bei einem Besuch in Wien 2014. (Hans Rauscher, 29.5.2023)