Spanien ist das erste Land in Europa, in dem Frauen "menstruationsfrei" machen dürfen. Am Donnerstag trat das Gesetz über Sexual- und Reproduktionsgesundheit in Kraft, das unter anderem das Fernbleiben von der Arbeit bei Regelbeschwerden ermöglicht.

Viele können wegen Menstruationsbeschwerden kaum arbeiten.
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Um "menstruationsfrei" zu machen, benötigen die Arbeitnehmerinnen in Spanien jedes Mal ein ärztliches Attest. Die Dauer der Freistellung von der Arbeit ist dann aber im Prinzip unbegrenzt. Sie hängt laut Gesetz davon ab, wie stark die Schmerzen sind und wie lange sie anhalten. Die Kosten werden vom Staat übernommen. Gleichstellungsministerin Irene Montero sprach nach der Parlamentsabstimmung im Februar von einem "historischen Tag für die Förderung der feministischen Rechte." Die von der linken Regierung beantragte Neuerung war im Februar vom Parlament gebilligt worden. 

Eine großangelegte niederländische Studie von 2019 zeigt, dass sich 80 Prozent der 30.000 Befragten während der Menstruation in ihrer Produktivität eingeschränkt fühlen und nicht (produktiv) arbeiten können. Obwohl die meisten angaben, regelmäßig Beschwerden zu erleiden, blieben nur 14 Prozent tatsächlich für mindestens einen Tag der Arbeit fern. Ein Drittel der befragten Frauen musste aufgrund starker Schmerzen schon einmal zum Arzt.

Obwohl das neue Gesetz Menstruierenden zugutekommen soll, ist es auch umstritten. Im "Zeitmagazin" äußerte sich die deutsche Soziologin Sophie Bauer in einem Interview kritisch gegenüber einer solchen Regelung. Zwar sei die Menstruation per se keine Krankheit, sie könne aber bei vielen Frauen massive Beschwerden auslösen. Sowohl körperliche Symptome wie mitunter starke Kopf-, Glieder- oder Unterleibsschmerzen als auch psychische Symptome wie Depressionen und Niedergeschlagenheit seien möglich. Die Symptome könnten zu einer Arbeitsunfähigkeit führen, was Betroffenen das grundlegende Recht gebe, ab dem ersten Krankheitstag Lohnfortzahlungen zu erhalten. Freie Tage bei Menstruationsbeschwerden hätten nur dann einen Vorteil gegenüber einer regulären Krankschreibung, wenn sie einen Kündigungsschutz für jene garantieren würden, die sich wegen ihrer Beschwerden regelmäßig krankmelden müssten, sagt die Soziologin dem Magazin. 

Raum für mehr Diskriminierung

Studien aus asiatischen Ländern (in Japan, Südkorea und China gibt es den Menstruationsurlaub schon länger) zeigen, dass jenes Gesetz für Frauen häufig mehr negative als positive Auswirkungen haben könnte. Eine Nikkei-Umfrage aus Japan zeigt, dass nur zehn Prozent der Frauen diese freien Tage auch tatsächlich nehmen. 48 Prozent der Befragten wollte sie zwar bereits freinehmen, hätten sich dann aber dagegen entschieden, weil sie mit dem Anliegen nicht zu ihrem männlichen Vorgesetzten gehen wollten. Ein weiterer Grund war auch, dass sie kaum andere Frauen kannten, die sich die Tage nehmen "trauten". 

Weitere Befürchtungen sind meist, aufgrund vermuteter Fehlzeiten seltener eingestellt zu werden oder wegen Fehlzeiten aufgrund der Menstruation am Arbeitsplatz schlechtergestellt zu werden. Ähnliche Gesetze gibt es auch in Taiwan, Indonesien und Sambia. Aber auch hier zeigt sich: In vielen Fällen wird der zusätzliche Anspruch auf Urlaub nur selten genutzt, meist aus Scham oder Angst. Für Gegnerinnen und Gegner des "menstrual leave" ist das Argument auch in Europa, dass es zu mehr Diskriminierung anstatt zu weniger kommen könnte.

Hierzulande bessere Voraussetzungen

Hintergrund in Spanien ist jedenfalls ein Defizit der Regeln zur dortigen Entgeltfortzahlung. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhielten bis heute für die ersten drei Tage der Arbeitsunfähigkeit gar kein Entgelt. Da Menstruationsbeschwerden häufig aber nicht mehr als drei Tage an der Arbeit hindern, führte die bisherige Rechtslage dazu, dass Frauen häufig kein Entgelt bekamen. Die Versorgungslücke soll nun mit Leistungen aus der Krankenversicherung geschlossen werden.

In Österreich wurde das Thema Menstruationsurlaub bisher nur vereinzelt diskutiert, ein solcher steht aber aktuell nicht zur Debatte. Einzelne Unternehmen verkündeten zwar schon, bei starken Beschwerden Krankenstand anzubieten. So führte etwa das Start-up Mimo aus Wien, der Anbieter einer App für Menschen, die Programmieren lernen, für seine menstruierenden Mitarbeitenden den "menstrual leave" ein, mit dem sie sich zwei Tage freinehmen können.

Allerdings wäre dies bei der jetzigen Rechtslage gar nicht notwendig. In Österreich gibt es bereits bei kurzer Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit deutlich mehr Schutz. Entgeltfortzahlung steht schon ab dem ersten Tag der Krankheit zu. Dabei reicht es schon aus, wenn die Aufgaben unzumutbar sind: Denn niemand ist verpflichtet, sich mit Schmerzen in ein Büro zu schleppen. 

Innerhalb eines Arbeitsjahres zahlen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber das Entgelt für zumindest sechs Wochen in voller und für vier weitere Wochen in halber Höhe fort. Zudem wird die Entgeltfortzahlung durch das Krankengeld aus der Sozialversicherung ergänzt. Entscheidend ist unter anderem, ob eine "Krankheit" vorliegt. Das Arbeitsrecht orientiert sich dabei an der Definition des Sozialversicherungsrechts: Es geht um einen "regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand". Maßstab ist eine gesunde, gleichaltrige Person. Eine beschwerdefreie Menstruation berechtigt daher nicht zum Krankenstand, weil sie mangels Regelwidrigkeit keine Krankheit ist.

Trotzdem gibt es für jeden Arbeitsplatz Bedingungen, die Menstruierenden zugutekommen und ihnen helfen können. Die Arbeiterkammer gibt dazu einige Empfehlungen: Arbeitgeber sollten ihren Mitarbeitenden möglichst flexible Orts- und Zeitgestaltung bieten. In der Arbeitsstätte sollte es Rückzugsmöglichkeiten sowie Hausmittel gegen Beschwerden geben. Außerdem sollten überhaupt kostenlose Hygieneprodukte in den Toiletten bereitgestellt werden. (red, 2.6.2023)