Ein Sager sorgt für Aufsehen. Gerhard Roiss, Vorstandschef des teilstaatlichen Öl- und Gaskonzerns OMV von 2011 bis 2015 und heute Berater der grünen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, hat vom stellvertretenden ukrainischen Energieminister erfahren, dass die Ukraine nicht gedenkt, die Gasdurchleitungsverträge mit Russland zu verlängern. Ende nächsten Jahres, wenn sie auslaufen, fließt demnach kein russisches Gas mehr durch die Ukraine. Auch nicht nach Österreich, dessen Gasversorgung immer noch stark von Russland abhängig ist – und der Rohstoff kommt ausschließlich über die Ukraine.

Sollten sich Politik und Öffentlichkeit in Österreich deswegen Sorgen machen? Ja, natürlich. Ist es zugleich hundertprozentig gesetzt, dass ab 2024 kein russisches Gas nach Österreich kommt? Das auch wieder nicht.

Ist die Energieversorgung über das Jahr 2024 hinaus gesichert? Wenn die Ukraine den Transitvertrag mit Russland nicht verlängert, fließt kein russisches Gas mehr nach Österreich.
Reuters / Heinz-Peter Bader

Ob die Ukraine den Vertrag mit Russland tatsächlich nicht verlängert, lässt sich derzeit schlicht nicht sagen. Die geopolitische Lage ist zu volatil; niemand weiß, wie sie sich bis etwa Mitte nächsten Jahres entwickelt haben wird. Vielleicht ist Putin gestürzt und der Krieg beendet. Vielleicht ist sonst wie ein Frieden oder eine Entspannung möglich. Vielleicht fügen sich die Ukrainer auch im entscheidenden Moment den Wünschen westlicher Regierungen, immerhin ihre Verbündeten und Unterstützer – und lassen weiterhin Gas durch, um eine neuerliche Energiekrise im Westen samt Preissprüngen und Inflation zu vermeiden.

Hinzu kommt, dass die ukrainische Regierung – obwohl sie nachvollziehbarerweise höchst unglücklich darüber ist, dass Geld für Gas aus Ländern wie Österreich die russische Kriegskasse füllt – gleichzeitig von hohen Durchleitungsgebühren profitiert.

Alles kein Problem also? Keineswegs. Zwar könnte nach 2024 weiterhin russisches Gas nach Österreich kommen – aber eine Wette darauf sollte man nicht eingehen.

Überhaupt ist Österreichs Energieversorgung extrem unsicher. Man muss es sich geradezu auf der Zunge zergehen lassen, dass das Land immer noch zu 64 Prozent (Stand April) von Gas aus Russland abhängig ist – einer kriegsführenden Diktatur also, die einem der strengsten Sanktionsregime aller Zeiten unterliegt. Und als wäre das noch nicht genug, fließt es auch noch zur Gänze durch ein Kriegsgebiet.

Die Diversifizierung der Energieversorgung in Österreich ist zu wenig gelungen. Der Ausbau erneuerbarer Energien geht ebenso zu langsam wie jener neuer Pipelines. Tanker voller Flüssigerdgas aus dem arabischen Raum, die die türkis-grüne Regierung in Aussicht gestellt hat, haben die Abhängigkeit bisher nicht reduzieren können. Vielen EU-Staaten ist unter großen Anstrengungen die Diversifizierung gelungen. Österreich hingegen spielt – gemeinsam mit einigen wenigen anderen wie der Slowakei und Ungarn – ein gefährliches Spiel. Wenn nicht bald mehr geschieht, wird es vielleicht nicht gleich dunkel werden im Land. Aber zumindest wieder sehr, sehr teuer. (Joseph Gepp, 2.6.2023)