Die SPÖ-Abgeordnete Julia Herr mit dem Traiskrichner Bürgermeister und Leider-Nein-SPÖ-Chef Andreas Babler.
Julia Herr war im Team von Andreas Babler und soll nun im Team von Hans Peter Doskozil bei der Aussöhnung behilflich sein.
APA/ROLAND SCHLAGER

Die 30-jährige Burgenländerin gilt als gesetzt. Julia Herr soll etwas werden: Klubchefin der SPÖ, Bundesgeschäftsführerin, sonst etwas Wichtiges. Hans Peter Doskozil zählt auf sie, und er braucht sie. Als Zeichen an das andere Lager. Denn Herr ist nicht im Lager Dosko, sondern im Lager Babler, und als am Samstag nicht wie von ihr erhofft der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler neuer Parteichef der SPÖ wurde, sondern Doskozil, war ihr das Unglück deutlich anzusehen.

Herr war von beiden Kandidaten umworben worden, sie entschied sich für Babler, wohl auch, weil dieser ganz deutlich im linken Spektrum der Partei positioniert ist. Dort ist auch Herr anzutreffen, sie war immerhin Chefin der Sozialistischen Jugend (SJ), die traditionell das linke Rebellentum vor sich her trägt.

Zuletzt ging Herr ihren Job aber deutlich leiser an, als man es von ihr kannte und erwarten durfte. Es war ein schlauer Schachzug von Pamela Rendi-Wagner, Herr 2019 als Abgeordnete ins Parlament zu holen und in die Parteiarbeit einzubinden. Herr gilt als Talent und Zukunftshoffnung. In ihrer neuen Rolle im Parlament tritt sie nun deutlich besonnener auf, die permanenten Forderungen an die Parteiführung von links unten, von Herr mit rollendem r vorgetragen, haben aufgehört.

Im SPÖ-Klub ist Herr Sprecherin für Klima und Umwelt, einen Themenbereich, der in ihrer Partei nicht unbedingt eine große Rolle spielt und zudem sehr kontroversiell wahrgenommen wird. Doppelt schwierig, damit auch gehört zu werden, nach innen wie nach außen.

Herr begann ihr politisches Engagement in der SJ in der Ortsgruppe Pöttsching, 2014 wurde sie jüngste Vorsitzende und auch die erste Frau an der Spitze der SJ. Kritik an der Parteispitze, ein Bekenntnis zum Marxismus und die Forderung nach einer Überwindung des Kapitalismus gehörten zur Basisausstattung, damit passt sie besser zu Babler als zu Doskozil.

Mittlerweile ist Herr zur Wienerin mutiert, sie hat in der Sektion Penzing angedockt. Ihr Wirken in die Wiener Partei hinein wäre für Doskozil ideal, der eine Aussöhnung oder zumindest einen Friedensschluss herbeiführen muss. Dabei soll Herr helfen – und offenbar will sie das auch. Das Rebellentum hat sie hinter sich gelassen, im Parlament und in der Partei hat sie sich als verlässliche und kühl kalkulierende Genossin erwiesen, das bringt der Aufstieg in den Strukturen mit sich. Und der scheint längst nicht abgeschlossen. (Michael Völker, 4.6.2023)