Wer Djaffar Shalchi zum Interview trifft, sieht, welches Airbnb sich ein Multimillionär mietet. Die Wohnung im ersten Wiener Gemeindebezirk ist offen und hell, hat eine weite Fensterfront und wirkt frisch renoviert, protzt aber nicht. Djaffar Shalchi teilt sich das Apartment während seines zweitägigen Wien-Aufenthalts mit seinen beiden Mitarbeitern. Der Däne hat sich als Bauingenieur und Immobilienunternehmer zum Selfmade-Multimillionär gemacht.

Der 62-Jährige sitzt an einem langen Holztisch und wirkt gut gelaunt. Er trägt ein dunkelblaues T-Shirt und eine Brille mit schwarzem Rahmen, seine Haare sind dunkelgrau. Sein Presseteam hat zum Interview geladen. Er ist am Tag zuvor aus Kopenhagen angereist und absolviert hier einen Termin nach dem anderen. Doch solange er über sein Lieblingsthema reden darf, hat er viel Energie.

Sein Lieblingsthema, das ist die Forderung, die Superreichen zu besteuern. Würde das oberste, reichste Prozent der Welt nämlich jährlich nur ein Prozent seines Vermögens abgeben, könnten Armut, Hunger, die Klimakrise und die Folgen der Pandemie gelöst werden. So lautet zumindest Shalchis Rechnung.

Multimillionär Djaffar Shalchi fordert eine Reichensteuer
Multimillionär Djaffar Shalchi fordert eine Reichensteuer.
APA/EVA MANHART

UN-Programm gegen Welthunger

Er bezieht sich in seiner Argumentation auf den jährlichen Wealth Report der Bank Credit Suisse. Diesem zufolge liegt das gesamte Vermögen weltweit bei rund 464 Billionen US-Dollar. Zur Erinnerung: Eine Billion hat zwölf Nullen. Shalchis Kritik: Die Hälfte des weltweiten Vermögens besitzen einige wenige Menschen. Konkret teile sich das reichste Prozent der Welt um die 200 Billionen US-Dollar. Genau dieses eine Prozent möchte der Däne mit einem Prozent pro Jahr besteuern. Er ist überzeugt: "Sie würden es nicht bemerken."

Fließen soll das Geld in die sogenannten 17 Sustainable and Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen. Das Programm setzt sich keine Armut, keinen Hunger, qualitative Bildung, gute Gesundheits- und Wasserversorgung, Geschlechtergerechtigkeit, aber auch grüne und leistbare Energieversorgung zum Ziel. Bereits 2015 haben alle 193 Nationalstaaten der Welt das Papier unterzeichnet. Nun hapere es an der Umsetzung, denn die Finanzierung habe noch kein einziges Land bereitgestellt, erzählt Shalchi im STANDARD-Gespräch.

"Das System ist kaputt", sagt Shalchi. Das Vermögen sei mittlerweile so stark angewachsen und verteile sich trotzdem auf einen kleinen Kreis. "Daher müssen auch Lösungen von den Superreichen kommen", so Shalchi. "Sie können es sich leisten, sie spüren es nicht einmal."

Vermögen teilweise gespendet

Er selbst habe 2016 die NGO Human Act Foundation gegründet und der Stiftung laut eigenen Angaben 30 Millionen US-Dollar gespendet. Trotzdem fahre er schöne Autos, wohne in schönen Häusern und verreise – "ich habe immer noch alles". Aus der Stiftung entstand drei Jahre später "Millionaires for Humanity" – ein Zusammenschluss von Millionären und Milliardärinnen, die sich dafür einsetzen, das oberste eine Prozent zu besteuern.

Im Alter von neun Jahren ist Djaffar Shalchi mit seiner Mutter und seinen vier Geschwistern vom Iran nach Kopenhagen gezogen. Er erzählt, dass er sich als Teenager viel mit den Ideologien von Mahatma Gandhi, Nelson Mandela und Martin Luther King auseinandergesetzt hat. Ihr Führungsstil habe ihn begeistert, und er wollte es ihnen gleichtun.

Als Ingenieur und Immobilienunternehmer machte er schließlich Millionen, die er laut eigenen Angaben nie gänzlich behalten wollte. "Der Plan war immer, 90 Prozent wegzugeben. Das wissen auch meine Kinder", sagt er.

Multimillionär Djaffar Shalchi steht vor einem riesigen aufblasbaren blauen Elefant in Wien.
Djaffar Shalchi hat die Initiative "Millionaires for Humanity" gegründet. Sie fordert die Besteuerung der Reichen.
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"Genug ist nie genug"

Shalchi sieht das Problem auch darin, dass "genug nie genug ist". "Hat ein Mensch hundert Millionen, sind sie nicht genug, er will eine Milliarde. Dann hat er eine Milliarde und will noch mehr." Er selbst wohne in demselben Haus, das er sich am Beginn seiner Karriere als Bauingenieur nach dem Studium leisten konnte. Er lebe in der gleichen Nachbarschaft wie damals. Seine Kinder gehen in eine öffentliche Schule.

Dass die Reichsten früher oder später weltweit etwas abgeben müssen, daran führt für den Dänen kein Weg vorbei. Allerdings wird vom Vermögen der Superreichen nur in sehr wenigen Ländern etwas abgezwackt. Norwegen etwa erhebt bereits ab einem Nettovermögen von 1,7 Millionen norwegischen Kronen, das entspricht 160.000 Euro, 1,1 Prozent an Vermögenssteuern. In Argentinien mussten die 12.000 reichsten Personen vor drei Jahren einmalig eine sogenannte Millionärssteuer bezahlen, damit die Folgen der Pandemie abgefangen werden konnten. Laut Shalchi verändert sich die Debatte auch in den USA. Das Land mit den meisten Milliardären habe mit Bernie Sanders und Elizabeth Warren laute Stimmen, die fordern, Superreiche zu besteuern.

Für Djaffar Shalchi ist klar, dass die großen Probleme der Menschheit gelöst werden können, wenn die besonders Reichen ein Stück ihres Kuchens abgeben. Offen bleibt, wie viele sich ihm wohl anschließen werden. (Julia Beirer, 21.06.2023)