Die Mittelschicht gehe inzwischen "zum Pfandleiher", um Goldketten oder Handys zu veräußern, konstatierte kürzlich das Nachrichtenmagazin "Profil". Der ORF sekundierte, dass der "finanzielle Druck auf die Mittelschicht steigt". Die Austria Presse Agentur (APA) wusste, dass die Mittelschicht "durch die Inflation besonders viel verliert".

Jene breite und diffus abgegrenzte Masse an Menschen, die weder richtig arm noch richtig reich ist, fürchtet um ihr wirtschaftliches Wohlergehen. Die Inflation – im Mai plus 9,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat – raubt Kaufkraft. Die Energiekosten sind (immer noch) exorbitant hoch. Hohe Zinsen sorgen für mehr finanzielle Belastung bei jenen, die Kredite zurückzahlen müssen. Und Immobilien, wiewohl sich deren Preise derzeit auf hohem Niveau einpendeln, sind sowieso für viele unleistbar geworden.

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Die Inflation von derzeit 9,0 Prozent raubt den Menschen Kaufkraft. Ein Eigenheim ist für viele sowieso unleistbar geworden.
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Diese Ängste der Mittelschicht schlagen auch auf die Politik durch: In Salzburg etwa fuhr die KPÖ bei der Landtagswahl Ende April einen Überraschungserfolg ein, nachdem sie vor allem die hohen Mieten im Bundesland thematisiert hatte. Auf Bundesebene schaffte es der Parteilinke Andreas Babler Anfang Juni zum SPÖ-Chef, unter anderem mit der prononcierten Forderung nach Vermögens- und Erbschaftssteuern. 

Aber: Wer gehört überhaupt zur Mittelschicht? Gehören Sie selbst dazu? Oder – noch immer dazu?

Dies lässt sich mit dem folgenden Rechner eruieren. DER STANDARD hat ihn in den vergangenen Jahren bereits mehrmals überarbeitet. Der neuesten Version liegen nunmehr die Einkommensdaten aus der EU-Silc-Erhebung (Statistics on Income and Living Conditions) für das Jahr 2022 zugrunde, die die Statistik Austria veröffentlicht hat.

Rechenbeispiel: Familie Schmidt Mutter Andrea verdiente 2022 als Volksschullehrerin im 25 Kilometer entfernten Ort 25.000 Euro netto, inklusive Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Die kleine Pendlerpauschale bringt ihr rund 300 Euro. Ihr Ehemann Bert arbeitet unregelmäßig als selbstständiger Grafikdesigner. Nach seiner Steuererklärung blieben ihm im Vorjahr 12.000 Euro netto. Für ihre elfjährige Tochter Christina bezog das Paar staatliche Familienunterstützung in Höhe von 2.400 Euro. Christina hat zum Geburtstag 300 Euro von der Oma bekommen. Der dreiköpfige Haushalt kam 2021 also auf 40.000 Euro. Damit hatte die Familie Schmidt ein aufgeschlüsseltes Haushaltseinkommen von gut 22.000 Euro. Die Schmidts zählten damit zur unteren Mittelschicht.

Bedienungshinweis: Geben Sie das monatliche Nettoeinkommen Ihres gesamten Haushalts in das vorgesehene Feld ein. Achtung: Einkommen meint hier nicht nur, was am Monatsende auf dem Gehalts- oder Lohnzettel steht. Auch Einmalzahlungen, Familienbeihilfe und das gesamte übrige Sozialnetz, Dividenden, Miet- oder Pachteinnahmen, geldwerte Geschenke und vor allem die günstiger besteuerten 13. und 14. Monatsgehälter zählen dazu. Um Letztere zu berücksichtigen, ermitteln Sie am besten mit einem der Brutto-netto-Rechner im Netz ihren Jahresnettobezug und teilen ihn durch zwölf.

Die mittleren 60 Prozent

Zur Erklärung: Die Definition von Mittelschicht, die diesem Rechner zugrunde liegt, stammt von der OECD. Ihr zufolge zählen die oberen und die unteren 20 Prozent der Haushalte nicht zur Mittelschicht, der 60-prozentige Rest schon. Oft wird die Mittelschicht noch unterteilt: Die Haushalte zwischen 20 und 50 Prozent fallen in die untere, jene zwischen 50 und 80 Prozent in die obere Mittelschicht.

2022 musste man demnach in Österreich in einem Haushalt mit einem jährlichen Äquivalenzeinkommen zwischen 18.740 und 39.843 Euro netto leben, um Teil der Mittelschicht zu sein. "Äquivalenzeinkommen" bedeutet, dass die Anzahl von dessen Mitgliedern, etwa Kindern, nach einem standardisierten Verfahren einberechnet wird, was den Vergleich von Haushalten unterschiedlicher Größe in Bezug auf deren Wohlstand ermöglicht. (Joseph Gepp, Sebastian Kienzl, 19.6.2023)