Sie gilt als höchstes Gut in jedem "Familienbetrieb": die Oma. Wer keine hat, blickt neidisch aus der übergehenden Wäsche und gibt viel Geld für Sommercamps aus. Denn Großeltern schließen Betreuungslücken, die durch die Erwerbstätigkeit der Eltern und das Fehlen von staatlichem Betreuungsangebot da sind, wie der letzte Österreichische Familienbericht festhält. Gefühlt sind es vor allem die Frauen, die diese Care-Arbeit stemmen. Doch Großmütter sind heute nicht mehr das, was sie einmal waren – und zwar im besten Sinne. Die Frau namens Oma emanzipiert sich. Früher mag sie sich selbstverständlich aufgeopfert haben, heute hat Oma auch ihr eigenes Leben. Die Generation 60 plus geht teilweise noch arbeiten, will ihr Leben genießen und achtet auf sich. Das Empowerment der Großmütter mag irritieren, immerhin ähneln sie nicht mehr der Fini auf der Mehlpackung, die mit grauen Löckchen glücklich den Backlöffel schwingt. Drei "neue" Omas erzählen, warum sie Grenzen setzen – und was das mit ihrer eigenen Mutter zu tun hat.

"Nein sagen ist wichtig, weil ich mir wichtig bin"

Oma Brigitte Jericha, Pension, Frau, Enkelkinder
Brigitte Jericha (63) ist pensionierte Bankmitarbeiterin und hat zwei Enkelkinder im Alter fünf und sechs Jahren
Heribert Corn

"Wenn ich als Oma gebraucht werde, dann versuche ich, mir das einzuteilen. Aber wenn ich schon ein Theater gebucht habe oder in eine Ausstellung gehe, dann ist das so. Ich finde es wunderbar, dass mein Sohn und meine Schwiegertochter das akzeptieren. In der Altersteilzeit hatte ich einen fixen Omatag, jetzt unterstütze ich ein- bis zweimal die Woche. Die Enkel schlafen auch manchmal bei mir, wie letztes Wochenende. Da sind ihre Eltern in eine Therme gefahren und waren einmal nur Ehepaar. Das will ich ihnen ermöglichen, weil ich weiß, wie wichtig das für ein Paar ist. Meine Schwiegertochter vertraut mir und sagt: 'What happens at Oma’s, stays at Oma’s.' Ich möchte den Kindern jeden Tag etwas bieten und gehe mit ihnen ins Kindertheater. Kochen ist nicht mein Thema. Das wird outgesourct, und wir gehen ins Wirtshaus. Bei mir wird bei Tisch gesessen, es gibt eine Serviette, und es wird nicht geschmatzt. Schlafenszeiten sind mir wurscht, und ich bin mir sicher, kein Kind stirbt daran, wenn es mal mit dreckigen Füßen ins Bett geht. Da bin ich viel entspannter, als ich es bei meinen Kindern war. Mittlerweile sehe ich es ehrfurchtsvoll, wie meine Mutter uns damals geholfen hat. Sie hat sich viel aufgebürdet und ihr Leben zurückgesteckt. So bin ich nicht. Ich denke, Nein zu sagen ist wichtig, weil ich mir wichtig bin. Ich habe mein ganzes Leben gearbeitet und hatte lange die Hauptverantwortung für meine Kinder. Nun möchte ich mit meinem Lebensgefährten das Leben genießen, meine Freundinnen zum Brunchen treffen oder auch mal nur auf dem Sofa fernschauen. In die Erziehung der Enkel mische ich mich nicht ein. Jeder setzt andere Prioritäten. Das Schönste am Omasein ist, die beiden ein Stück durchs Leben zu begleiten."

"Ich habe auch mein eigenes Leben"

Künstlerin Thelma Herzl mit ihren Enkelkindern im Atelier
Thelma Herzl (79) istKünstlerin. Sie hat acht Enkelkinder im Alter von sieben Monaten bis 18 Jahren.
Tina Herzl

"Ich war vor 18 Jahren, als das erste Enkelkind zur Welt kam, sicher keine andere Oma als heute bei den Zwillingsbabys. Die Kunst und meine Familie – das ist mein Leben. Regelmäßige Betreuungstage habe ich nicht. Ich bin keine Oma, die nur angerufen wird, weil sie gebraucht wird. Bei fünf Kindern und acht Enkelkindern gibt es viele Geburtstage, die Enkelkinder sehe ich meistens in der Woche. Das heißt nicht, dass ich immer aufpasse. Meine Kinder wissen, sie können mich fragen, ich werde nie Nein sagen. Aber sie erwarten auch nicht, dass ich ihnen ihre Arbeit abnehme. Wenn sie mal drei Tage wegmöchten, dann schaue ich natürlich auf meine Enkelkinder. Auch wenn meine Tochter mit den Zwillingsbabys wieder in den Beruf einsteigt, werde ich unterstützen. Aber trotzdem lebe ich mein eigenes Leben. Mit meiner Kunst, meinen Ausstellungen, dem Garten. Meine eigene Mutter in Island hat immer gesagt: "Ich habe für meine Kinder gesorgt, jetzt müssen meine Kinder für ihre Kinder sorgen." Das war gut so. Sie hat hart gearbeitet, bis sie 77 Jahre alt wurde, in Vollzeit als Sekretärin. Wenn ich auf meine Enkelkinder aufpasse, dann malen wir und sind kreativ. Aber den Haushalt mache ich dort nicht. Ein kleines Essen richte ich, aber die Oma mit den großen Kochkünsten bin ich nicht. In meiner Rolle bin ich ein bisschen belehrend, weil ich möchte, dass meine Enkelkinder Manieren besitzen. Dass sie sich bedanken und grüßen, dass sie wissen, wie man mit Gabel und Messer isst. Ich schimpfe aber nie. Das Wichtigste ist zu loben. Sagst du zu einem Kind, du bist schlimm, dann übernimmt es diese Rolle. Sobald ich mich von meinen Enkelkindern verabschiede, überfällt mich Sehnsucht. Aber Baba zu sagen gehört zum Großmuttersein dazu."

"Ich brauche Zeit für mich"

Oma Violeta Cucujkic mit ihrem Enkelsohn
Violeta Cucujkic (58) arbeitet als Anlagenbetreuerin. Sie hat zwei Enkelkinder im Alter von zwei und fünf Jahren.
Privat

"Bei meinem ersten Enkelsohn war ich erst wie eine zweite Mama. Meine Tochter hat in dieser Zeit eine Ausbildung gemacht, da war er oft eine Woche durchgehend bei uns. Oder ich war bei ihr und habe ihr im Haushalt geholfen. Erst als sein kleiner Bruder geboren wurde, hat sich etwas verändert. Das Büro meines Mannes ist bei uns im Haus, und wenn die Buben wissen, dass Opa da ist, wollen sie zu ihm. Zuletzt haben wir daher öfters Nein gesagt. Und ja, auch ich brauche Zeit für mich. Am Anfang hatte ich das Gefühl, ich habe kein Privatleben mehr. Sobald die Buben schlafen, koche ich und räume auf, nachts sind sie bei mir im Bett. Wenn sie drei Tage durchgehend da sind, macht das müde. Als ich mit 19 Jahren nach Österreich kam, zwei Wochen vor der Geburt meiner Tochter, hatte ich keine Hilfe. Meine Mutter war in Serbien. Ich konnte nicht im Internet nachschauen, warum mein Kind Fieber hat. Damals habe ich mir versprochen: Wenn meine Töchter Kinder kriegen, werde ich immer für sie da sein. Aber ich weiß inzwischen: Wenn ich müde bin, geht es nicht. Und ich stecke nicht zurück, wenn ich bei Freunden eingeladen bin. Wir lieben die Enkelkinder, aber wir wollen parallel auch unser Leben haben. Ab und zu gibt es Beschwerden: 'Nie habt ihr Zeit!' Wir betreuen nun nach Bedarf – zum Beispiel die nächsten beiden Wochenenden. Wenn meine Enkelkinder bei mir sind, ist es mir wichtig, dass sie auch Grenzen und Disziplin lernen. Durch die Omarolle bekomme ich die Möglichkeit, das besser zu machen, was ich als Mutter vielleicht nicht richtig gemacht habe. Deswegen liebe ich meine Enkelkinder nicht mehr als meine Kinder. Ich sehe es bei meiner Tochter: Sie will etwas erreichen, sie hat nicht viel Zeit. Das heißt nicht, dass sie keine gute Mutter ist oder ihre Kinder nicht liebt. Natürlich braucht sie Hilfe!" (Delna Antia, 16.6.2023)