Der Wechsel von Pamela Rendi-Wagner zu Andreas Babler im SPÖ-Chefsessel ist nicht nur für die in Lager gespaltenen Sozialdemokraten eine Herausforderung. Der begnadete Volksredner bringt mit flotten Sprüchen von Marx bis EU-Imperialismus vor allem die Neos unter Druck, ihre Haltung zur SPÖ zu überdenken, sich schärfer abzugrenzen.

SPÖ - Neos - Grüne
Eine Ampelkoalition aus SPÖ, Neos, Grüne - eher unwahrscheinlich?
Getty Images, Collage: Seywald

Denn nach allem, was der Neue aus Traiskirchen bisher an plakativ negativen Ansichten zur angeblich so gefährlich "neoliberalen" Europäischen Union und zu wirtschaftspolitischen Absichten für Österreich hat erkennen lassen, scheint eines klar: Eine liberale Partei, die sich zur freien Marktwirtschaft der EU mit ökosozialen Zielen bekennt, zu Markt statt Marxismus, muss mit Babler grundlegende Probleme haben.

In Sachen EU-Politik kaum exponiert

Es ist nicht mehr so sicher, dass die Neos nach den Nationalratswahlen quasi als "natürlicher" Koalitionspartner für eine Ampelregierung mit Sozialdemokraten und Grünen zur Verfügung stehen wollen – oder können. Davon sind viele seit Jahren ausgegangen. Rendi-Wagner hatte sich in Sachen EU-Politik kaum exponiert. Die Sozialdemokraten galten mit ihr als verlässliche "Proeuropäer". Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, dessen Burgenland als Ziel-1-Gebiet von EU-Förderungen besonders stark profitierte, gehörte in diese Liga.

Das war ganz im Sinne der Neos, die sich als die Europapartei schlechthin positionierten, je mehr die ÖVP unter Sebastian Kurz nationale Akzente gegen "Zentralisten" in Brüssel setzte. Doskozil hatte 2017 als Verteidigungsminister die gemeinsame EU-Militärpolitik mitbeschlossen. Die Neos würden Neutralität und Bundesheer jederzeit gegen eine EU-Armee tauschen, ohne "EU-Imperialismus".

Rot-Grün-Pink schien bisher leicht möglich, wenn es dafür eine Mehrheit der Wähler gäbe. Mit Babler geraten solche vermeintlichen Gewissheiten ins Wanken. Er kündigte an, erst einmal seine SPÖ auf exponierten Linkskurs zu bringen. Auf dieser Basis will er dann die Parteienlandschaft umkrempeln.

FPÖ prinzipiell ausgeschlossen

Die EU-skeptische, rechtspopulistische FPÖ ist für ihn prinzipiell als Partner ausgeschlossen, verständlich. Das gilt aber auch für die noch immer proeuropäische ÖVP. Die habe "sich selbst aus dem Spiel genommen", müsse "sich erst wieder koalitionsfähig machen", erklärte Babler der Kronen Zeitung.

Sein Plan läuft also darauf hinaus, bei Wahlen auf Platz eins zu kommen, sich eine "linke Mehrheit" zu schaffen, um Bundeskanzler werden zu können. Sind die Neos links?

Eine solche Mehrheit ist ungewiss, weshalb die Neos auch strategisch keinen Grund haben, sich auf Gedeih und Verderb an eine EU-kritischere Babler-SPÖ zu binden. Im Gegenteil. Täten sie das, könnten sie im Lagerwahlkampf von links und rechts leicht unter die Räder kommen.

Die Liberalen wären gut beraten, sich eine Koalitionsvariante mit ÖVP und Grünen offenzuhalten: Schwarz-Grün-Pink. In EU-Partnerstaaten sind vielfältige Bündnisse ganz normal, viele Länder werden sogar von liberalen Regierungschefs geführt. Warum sollte das in Österreich ausgeschlossen sein? (Thomas Mayer, 9.6.2023)