Seit der spektakulären Wende nach der neuerlichen Auszählung der Parteitagsstimmen, die ihn zum neuen SPÖ-Vorsitzenden gemacht hatte, läuft sein Leben im Stakkato ab. Er ist "on fire". Ein Interview reiht sich ans nächste, es folgen Beratungen im Vertrautenkreis in Permanenz und seine Kritiker graben bereits in der Vergangenheit nach dunklen Flecken des Andreas Babler.  Er sei seit Tagen de facto rund um die Uhr "24/7" unterwegs, sagte der neue SPÖ-Chef am Samstag im Ö1-"Mittagsjournal".

Die Angriffe, er sei zu links, zu radikal, fechten ihn nicht an. "Ich hab klare Positionen, eine klare authentische Sprache, das ist man offensichtlich nicht mehr gewohnt", sagt Babler. Es bereite "vielen Unbehagen, die auf der anderen Seite des Systems stehen". Er werde jetzt "mit viel Oberflächlichkeiten" politisch eingeordnet. Auch als Linkspopulist und "Kickl im marxistischen Gewand". "Ich bin Sozialdemokrat", entgegnet Babler einmal mehr. Es gehe unter anderem darum, Kinder aus der Armut zu holen, für leistbaren Wohnraum zu sorgen, die Inflation, "die von der Profitgier der Großkonzerne" mitverursacht werde, zu bekämpfen. "Wenn das radikal ist, kann ich gut damit leben", sagt der SPÖ-Vorsitzende.

Babler auf Touren
Seit seiner Wahl zum SPÖ-Vorsitzenden ist Andreas Babler "on fire", ständig auf Tour, von einem Interview zum nächsten.
Apa: Georg Hochmuth

Häuslbauerpartei

Es gehe auch um die Vermögenssteuer, die nicht nur eine Zuwachs-, sondern auch eine echte Substanzbesteuerung sein soll. Fünf Milliarden Euro seien da zu holen plus 650 Millionen im Jahr an Erbschaftssteuer, rechnet er abermals vor. Die Steuerpolitik solle ein Hebel sein für mehr Gerechtigkeit. Je mehr Vermögen desto höher die Besteuerung bis auf ein Prozent. Das sei auch eine Koalitionsbedingung, bekräftigte Babler, "sonst ist ja überhaupt nichts umsetzbar".

Und auch die Erbschaftssteuer müsse kommen, bekräftigte der SPÖ-Chef. Aber: "Das ist keine Häuslbauersteuer. Wir sind die Partei der Häuslbauer." Die ältere Generation habe sich mühevoll Eigenheime aufgebaut. Daran dürfe nicht gerüttelt werden. "Wir garantieren der Generation, dass sie die Häuser steuerfrei weitergeben kann. Bis zu einer Million ist man safe, dann steigts progressiv. Heidi Horten und Mateschitz: Da einzugreifen ist Gerechtigkeit", sagt Babler.

Auch die Rückabwicklung der Sozialversicherungsreform der türkis-blauen Regierung steht auf der Agenda. Babler will, dass wieder die Arbeitnehmer zur Gänze in den Krankenkassen das Sagen haben. Und nicht auch die Arbeitgeber. Man könne die Abfassung von Verträgen etwa über Primärzentren oder Kassenärzten nicht jenen überlassen, "die unsere Rechte nicht garantieren". Auch das sei eine wichtige Koalitionsbedingung.

Neue Koalitionen

Ob er denn mit seinen schon jetzt als Koalitionsbedingungen formulierten Forderungen nach der Wahl überhaupt Partner finden werde?  Es sei müßig, heute darüber nachzudenken  "in dieser schnelllebigen Zeit", denn es sei nicht klar, wie viele Parteien nach der Nationalratswahl im Parlament sitzen werden und wie viele neue Koalitionsmöglichkeiten sich womöglich auftun könnten, argumentiert der SPÖ-Chef.

Das Verhältnis zur "radikalen ÖVP" (Babler) werde jedenfalls neu bewertet. Dazu könnte auch ein vereinbartes Treffen mit Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer dienen. "Er muss mit einer klaren, kantigen SPÖ-Politik rechnen, er muss sich auf ein Comeback der Sozialdemokratie einstellen", zeigt sich Babler selbstbewusst.

Fix sei eine Demokratisierung der SPÖ, Parteiführung und Koalitionen sollen künftig mit der Basis abgestimmt werden, bekräftigte Babler. Bei der Besetzung strategischer Funktionen möchte Babler noch ausloten, er fühle sich dabei keinem Lager in seiner Partei verpflichtet. Es gehe um Qualifikation und die gesellschaftlichen Realitäten der Sozialdemokratie. "Anders kann das ja gar nicht funktionieren“, sagt Babler. (Walter Müller, 10.6.2023)