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Während Schnäppchenjäger in Kika/Leiner-Filialen nach billigen Angeboten suchen, fürchten Kreditgeber um ihr Geld.
APA/EVA MANHART

Zuerst der Verkauf, dann die Insolvenz. Bei Kika/Leiner ging es in den vergangenen Tagen Schlag auf Schlag. Kommende Woche wird das Unternehmen mit Sitz in St. Pölten einen Insolvenzantrag stellen und einen Sanierungsplan vorlegen. Das Gericht dürfte das Verfahren wenig später offiziell eröffnen. Aber was bedeutet das eigentlich? Und wie geht es danach weiter?

Frage: Wann muss ein Unternehmen einen Antrag auf Insolvenz stellen?

Antwort: Dann, wenn es zahlungsunfähig oder überschuldet ist, und zwar innerhalb einer Frist von 60 Tagen. Ziel ist es, das restliche Vermögen gerecht unter den Gläubigern, die dem Unternehmen Geld geborgt haben, aufzuteilen. Ein klassisches Konkursverfahren endet mit der Schließung des Unternehmens. Bei einem Sanierungsverfahren soll das Unternehmen entschuldet weitergeführt werden. Das ist auch der Plan von Kika/Leiner.

Frage: Wie läuft die Sanierung ab?

Antwort: In der Zeit des Verfahrens wird das Unternehmen von einem externen Verwalter geführt, der das verfügbare Vermögen unter den Gläubigern aufteilt. Bei einem Sanierungsverfahren muss jeder Geldgeber zumindest 20 Prozent dessen bekommen, was er dem Unternehmen geborgt hat. Um den Fortbestand zu ermöglichen, will Kika/Leiner von 3.900 Beschäftigten 1.900 kündigen und von 40 Standorten 23 schließen.

Frage: Wer wird draufzahlen?

Antwort: In erster Linie langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihren Job verlieren. Und natürlich jene Banken, staatlichen Stellen und Kunden, die dem Unternehmen Geld geborgt haben. Sie werden aller Voraussicht nach nur einen Teil davon zurückbekommen. Einer der größten Kreditgeber ist dem Vernehmen nach der Staat, der Kika/Leiner aufgrund der Corona-Krise Steuern in Millionenhöhe gestundet hat. Der Betrag staatlicher Mittel dürfte wie berichtet insgesamt bei rund 100 Millionen Euro liegen, davon entfallen 40 Millionen auf Umsatzsteuerstundungen und 60 Millionen auf Mittel aus dem Insolvenzentgeltfonds, der aus Arbeitgeberbeiträgen gespeist wird. Eine genaue Zahl gibt das Finanzministerium nicht bekannt. Zudem wurden dem Unternehmen Corona-Förderungen in der Höhe von circa sechs Millionen Euro überwiesen. Selbst wenn diese zurückbezahlt werden müssten, ist wohl viel davon verloren. 

Frage: Milliardär René Benko hat die Immobilien des Unternehmens für gutes Geld verkauft und den überschuldeten operativen Teil des Geschäfts abgestoßen. Gleichzeitig verlieren Gläubiger wie der Staat Geld. Wie kann das sein?

Antwort: Das wirft tatsächlich Fragen auf, dürfte aber rechtens sein. Kika/Leiner wurde bereits vor knapp zehn Jahren – also bevor Benko das Unternehmen im Jahr 2018 übernommen hat – aufgespalten: in einen Immobilienteil und einen Handelsteil. Das ist in der Branche durchaus üblich. Benko hat sich diese Aufspaltung nun zunutze gemacht und konnte die Geschäftsteile unabhängig voneinander verkaufen. Die Übernahme der Möbelhausgruppe sei aus Sicht der Signa ein "sehr gutes Investment gewesen", heißt es in einer Aussendung des Unternehmens. Viele in der Branche gehen davon aus, dass es dem Milliardär von Anfang an hauptsächlich um die Immobilien ging.

Frage: Und dass Kika/Leiner so kurz nach dem Verkauf insolvent wird: Kann das Zufall sein?

Antwort: Wohl eher nicht. Unternehmen können sowohl vor als auch nach einer Insolvenz verkauft werden. Beide Varianten kommen in der Praxis immer wieder vor und haben jeweils bestimmte wirtschaftliche Vor- und Nachteile. Unternehmen müssen aber jedenfalls rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellen. Nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bleibt dafür eine Frist von maximal 60 Tagen. Ob die zeitlichen Abläufe im Fall von Kika/Leiner stimmig sind, dürften das Gericht und die Gläubiger prüfen. Die Finanzprokuratur, die im Verfahren die Republik vertritt, wird sich "die Vorgänge, die zur Insolvenz geführt haben und alle wesentlichen Vermögensverschiebungen genau anschauen", hieß es auf Anfrage der ORF-"ZiB1".

Frage: Wann sind auch Kundinnen und Kunden von der Insolvenz betroffen?

Antwort: Dann, wenn sie zum Beispiel noch Gutscheine besitzen oder Anzahlungen für bestellte Möbelstücke geleistet haben. Rechtlich gesehen ist ein Gutschein eine Forderung gegen das insolvente Unternehmen, erklärt Sebastian Hütter, Rechtsanwalt bei SCWP. Da schon für die Anmeldung der Forderung eine Gebühr von 25 Euro fällig wird, ist das aber nicht immer sinnvoll. Der neue Kika/Leiner Eigentümer hat zumindest öffentlich zugesichert, dass er für Gutscheine hafte und diese gültig bleiben. 

Frage: Und was ist mit Anzahlungen?

Antwort: Anzahlungen können Kundinnen und Kunden zunächst nicht zurückfordern. Der Insolvenzverwalter hat im Verfahren zwei Möglichkeiten: Er kann entweder am Vertrag festhalten und die Waren liefern oder vom Vertrag zurücktreten. Im ersten Fall muss der Kunde den restlichen Kaufpreis bezahlen und bekommt die Ware. Im zweiten Fall muss er die Anzahlung als Forderung im Insolvenzverfahren anmelden. Auch hier würde man wieder nur die Insolvenzquote bekommen, erklärt Hütter. (Jakob Pflügl, 11.6.2023)