Wenn die rund 90 Mandatarinnen und Mandatare der Wiener Ärztekammer am Dienstag ab 14 Uhr zur Vollversammlung zusammentreffen, stehen mehrere Punkte auf der Tagesordnung, die einiges an Zündstoff beinhalten.

So hat die Ärztegruppe der MFG-Fraktion mit Unterstützung anderer Oppositionsfraktionen einen Misstrauensantrag gegen den Präsidenten der Wiener Ärztekammer, Johannes Steinhart, eingebracht. Als Grund nannte die MFG in einer Aussendung die angeblichen Malversationen rund um die Tochtergesellschaft der Kurie der niedergelassenen Ärzte, Equip4Ordi.

Abendliche Streitpunkte

Die offiziellen Unterstützer dieses Antrags bekämen zwar bei einer Vollbesetzung keine erforderliche Zweidrittelmehrheit zusammen, allerdings kommt dieser Tagesordnungspunkt voraussichtlich erst am Abend dran. Wenn dann schon Mandatarinnen und Mandatare, die Steinhart unterstützen, gegangen sein sollten, könnte das Stimmverhältnis anders aussehen. Allerdings könnten die Steinhart-Befürworter ebenfalls rechtzeitig die Sitzung verlassen und die Abstimmung dann vertagt werden müssen. Offen ist aber, was passiert, falls geheim abgestimmt werden sollte. Auch ein Antrag auf Neuwahlen steht auf der Tagesordnung.

Ärztekammer-Vizepräsident Stefan Ferenci und Johannes Steinhart Präsident der Ärztekammer Wien und der österreichischen Ärztekammer
Stefan Ferenci,Vizepräsident der Ärztekammer Wien (links), und Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart bei einer Pressekonferenz vergangenen November. Steinhart ist derzeit im Krankenstand, Ferenci ist geschäftsführend tätig und steht also vorerst an der Spitze der Kammer.
APA/GEORG HOCHMUTH

Steinhart ist als Präsident der Wiener Kammer seit Aufkommen der Equip4Ordi-Affäre, die in seine Zeit als Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte fällt, auch in den Fraktionen, die ihn mit zum Präsidenten wählten, höchst umstritten. Er ist im Krankenstand, befindet sich derzeit auf Reha und soll seine Rückkehr für Herbst planen. Kammerinsider erzählen, dass es innerhalb der Wiener Kammer tiefe Gräben gebe. Demnach hat Steinhart im Präsidium, wo neben ihm Vize Stefan Ferenci (Obmann der Kurie angestellter Ärzte) und Erik Randall Huber (Kurie der niedergelassenen Ärzte) sowie Finanzreferent Frédéric Tömböl sitzen, keine Mehrheit mehr.

Rücktritt vom Rücktritt?

Huber hat angekündigt, die Equip4Ordi-Affäre voll aufklären zu wollen. Im Zuge dessen hat er auch Steinhart scharf kritisiert, der jegliche Vorwürfe zurückweist. Die "Vereinigung", also Steinharts Fraktion, hatte Ende März einen Misstrauensantrag gegen Huber eingebracht, der dann aber keine Zweidrittelmehrheit erreichte. Huber soll angekündigt haben, noch alles ordentlich aufklären und dann im Sommer sein Amt niederlegen zu wollen, um Kritiker zu besänftigen, und überstand so das Votum. Am Dienstag soll ein Antrag zur Abstimmung kommen, ob Huber weiter die Affäre aufklären und also vorerst bleiben soll. In zwei Wochen steht auch eine weitere Versammlung von Hubers Kurie an.

"Wiener Spezialität" Streikdrohung

Die Streitereien der Wiener machen der Standesvertretung auf Bundesebene wenig Freude. Und auch die in den Raum gestellten Streiks von Spitalsärztinnen und Spitalsärzten, für die die Wiener Kammer zumindest Vorbereitungen getroffen hat, stoßen in der Österreichischen Ärztekammer nicht gerade auf Zustimmung. Das Klima zwischen Ferenci und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) soll auch deutlich schlechter sein als jenes zwischen Hacker und Steinhart. Der auf Bundesebene in der Kammer derzeit geschäftsführende Vize Harald Schlögel sagte dem STANDARD, dass die Streikdrohung  "eine Wiener Spezialität" sei. Wien habe "einen anderen Zugang, Verhandlungen zu führen". Es gebe in keinem anderen Bundesland "irgendwelche Tendenzen, jetzt in Richtung Arbeitsniederlegung, Streik oder Sonstiges zu gehen". (Gudrun Springer, 13.6.2023)