Zeldin Confessions Festwochen
Regisseur Alexander Zeldin hat seine Mutter interviewt und daraus ein Theaterstück gemacht.
APA/GEORG HOCHMUTH

Alexander Zeldin wird mit Superlativen aller Art bedacht – bis hin zum Titel "Tschechow unserer Tage". Das führt aber auf die falsche Fährte. Der Brite, 38 Jahre alt, ist kein Dramatiker, der bei Bedarf inszeniert, sondern ein glühender Theaterpraktiker, der seine Stücke selbst entwickelt, und das mit einem handverlesenen Ensemble, zu dem auch Laienschauspieler gehören können. Dementsprechende Spannung geht von der Bühne aus.

Zeldin türmt Erfolg auf Erfolg, seit einigen Jahren auch im deutschsprachigen Raum. Vor allem hat ihm The Inequalities den Weg geebnet, eine in Teilen auch in Wien aufgeführte Trilogie über desaströse Sozial- und Arbeitspolitik und darüber, wie sie aussieht, wenn man sie vom unteren Ende des gesellschaftlichen Klassensystems betrachtet: in einer Fleischfabrik, in einer Notunterkunft und in einer Sozialeinrichtung.

Vielleicht schätzt man Zeldins Inszenierungen auch deshalb so, weil das Sozialdrama, wie er es umsetzt, hierzulande weitgehend aus der Mode gekommen ist. Den Hyperrealismus lässt der Regisseur nun aber hinter sich und startet mit der Weltpremiere von The Confessions bei den Wiener Festwochen am Mittwoch im Volkstheater neu durch. So weit seine Ankündigung.

Was vom Leben übrig bleibt

Es wird also kein konkretes Setting geben, indes erinnerte Schauplätze eines Lebens, das zurückblickt. Ähnlich wie der weiße Clown im Gemälde Pierrot, genannt Gilles (1718) nachdenklich aus dem Rahmen tritt, so Zeldins Vergleich, so tritt in The Confessions eine Frau hervor und fragt, was am Ende von ihrem Leben übrig bleibt.

Auf der Basis von Gesprächen mit seiner eigenen Mutter hat Zeldin das Stück verfasst. Es folgt der Biografie einer Frau, die 1943 in Australien geboren wurde: von ihrer Umgebung eingeschüchtert, mit 18 Jahren an einen Offizier verheiratet, gewaltvolle erste Ehejahre. Mit 32 nimmt sie Reißaus, verkauft das Haus, geht in ein Frauenhaus, in die Abendschule, dann auf die Uni, heiratet ihren Professor.

"Der Fakt, dass es meine Mutter ist, ist unwichtig. Wichtig ist, dass es real ist, auch wenn ich gewisse Fakten geändert habe", sagt Zeldin im STANDARD-Gespräch. Entscheidend für sein Theater ist die Nabelschnur zur Realität, sei es über Laiendarsteller oder recherchierte Geschichte. Um es auf den Punkt zu bringen: "Ich betrachte mich zwar auch als geistreich, mache aber keinen komplizierten Bullshit." Konzeptkunst liegt Zeldin nicht, er möchte direkt sein.

Zu viel männliche Lesart

Im Alter von sechzehn Jahren hat er mit dem Inszenieren begonnen und seither vieles ausprobiert, von Performance über Choreografie und Oper bis hin zum hyperrealistischen Schauspiel. Das Publikum ist anfangs scharenweise geflohen, gesteht er. Zeldin hat sich aber durchgekämpft, bei Peter Brook assistiert und ist heute Hausregisseur am National Theatre in London.

Er sprüht vor Überzeugungen. Wenn man ihm zuhört, denkt man am Ende, dass ohne Theater nichts mehr Sinn hat und dass die nächste geglückte Premiere die Welt retten könnte. "Unsere Leben sind voller Dramen, die genauso profund sind wie die der griechischen Tragödien", sagt Zeldin. "Und das sehen wir erst, wenn wir ins Theater gehen!" Seine Arbeiten, so roh sie auch sein mögen, sind gut unterfüttert. Bei The Confessions knüpft er an Rousseau an, an Sophokles, an Watteau. Und dabei ist sein bisheriges Schaffen schon immer "female-centered" gewesen, also auf Frauen fokussiert.

Protagonistinnen haben Alexander Zeldin immer mehr interessiert als das Hollywoodnarrativ, das auf einer männlichen Lesart aller Mythologie basiert. "Für weibliche Geschichten hat eine solche epische Form nie existiert. Die narrative Struktur westlicher Kultur ist patriarchal und männlich!" Auch das will er ändern. Tourtermine gibt es bereits für die nächsten drei Jahre.