Der neue SPÖ-Chef Andreas Babler hat das Führungsteam seiner Partei komplett neu aufgestellt. Es sind vorwiegend junge Personen, die jetzt ans Ruder der Partei kommen. Mit dem Personalpaket versucht Babler, die Konfliktlinien in der Partei zu bereinigen und die zerstrittenen Lager miteinander auszusöhnen. Auch Parteifunktionäre, die bisher den Teams von Hans Peter Doskozil oder Pamela Rendi-Wagner angehörten, wurden bedacht. Ein Überblick über drei neue Gesichter.

Sandra Breiteneder: Intellektuelle mit vielen Schwerpunkten

Sandra Breiteneder.
APA/HELMUT FOHRINGER

Schon als ein Teil von Andreas Bab­lers parteiinterner Wahlbewegung kümmerte sich Sandra Breiteneder um allerlei Organisatorisches: Freiwillige managen, E-Mails beantworten, Büroarbeit. Sie unterstützte Babler bei seiner Bewerbung ehrenamtlich, was sie nun zu ihrem neuen Job führt, als Bundesgeschäftsführerin unter Babler als Parteichef. "So eine Chance bekommt man nur einmal im Leben", erklärt die 40-jährige Wienerin im Gespräch mit dem STANDARD, warum sie das Angebot angenommen hat.

Bereits in der Vorwoche sei Babler auf sie zugekommen, sagt Breiteneder. Sie wechselt vom Arbeitnehmer:innen-Förderungsfonds der Stadt Wien nun in die Geschäftsführung der Partei, der sie schon lange verbunden ist: Breiteneder engagierte sich bei der Sozialistischen Jugend – von dort kennt sie auch ihren neuen Co-Geschäftsführer, Klaus Seltenheim. Sie ist gewerkschaftlich geprägt, war Bundesfrauensekretärin und internationale Sekretärin der Gewerkschaft GPA, arbeitete aber auch für den roten EU-Parlamentarier Hannes Swoboda bis zu dessen Ausscheiden aus der Politik. 2016 wechselte sie als Referentin für Digitalisierung zur damaligen Staatssekretärin Muna Duzdar.

Eine Mitstreiterin aus der Regierungszeit erinnert sich vor allem an Breiteneders Vielseitigkeit: "Egal welches Thema, die Sandra kann es aus extrem vielen Perspektiven betrachten", sagt eine Kabinettskollegin von damals: Breiteneder bringe die internationale, die frauenpolitische, die arbeitsmarkttechnische und auch die jugendpolitische Sicht auf Dinge ein. In Diskussionen sei sie ein "Ruhepol", der nicht um des Redens willen redet, sondern die Debatte in wenigen Sätzen zusammenfassen kann. Widerspruch formuliere sie pointiert, ohne laut zu werden. Breiteneder sei uneitel, intellektuell, "ein bissl nerdy" und fühle sich in der zweiten Reihe wohl.

Kampf gegen EU-Skepsis

Als Vizepräsidentin der Europäischen Sozialistischen Jugend setzte sie sich unter anderem gegen Europaskepsis bei Jugendlichen ein. Junge Menschen interessierten sich nicht für die Europäische Union, "weil es so abstrakt und so weit weg ist", sagte Breiteneder 2011. Dass sie auch bei Andreas Babler für die EU lobbyieren muss, glaubt Breiteneder nicht: "Es gibt Kritik an der EU, aber als Sozialdemokratie sind wir eine klar proeuropäische Partei", sagt sie.

Ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt ist die Arbeitsmarktpolitik – Bablers Forderung nach einer 32-Stunden-Woche wird Breiteneder also fortan noch stärker beschäftigen.

Breiteneder ist in Linz geboren und im Mühlviertel aufgewachsen, 2001 zog sie nach Wien, heute lebt sie mit ihrem Mann und dem gemeinsamen dreijährigen Kind in Ottakring. Für ihre Hobbys – Klettern und Videospiele auf der Nintendo Switch – wird sie künftig wohl weniger Zeit haben.

Philip Kucher: Ein erfahrener Kärntner für das Burgenland

Philip Kucher.
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Natürlich, formal hat der neue Chef der Roten, Andreas Babler, das Sagen. Nicht nur in der Bundespartei, sondern auch im Parlamentsklub. Weil Babler aber "nur" im Bundesrat sitzt und nicht auch im Nationalrat, wird dort ein anderer die tägliche, operative Frontarbeit machen. Und dass es ausgerechnet er geworden ist, lässt sich als größeres Zugeständnis an Bablers bei der Parteitagsabstimmung an den Delegierten gescheiterten Konkurrenten Hans Peter Doskozil werten.

Denn Philip Kucher, der neue geschäftsführende Klubobmann im roten Parlamentsklub, spricht als gebürtiger Klagenfurter zwar auch nach langen Jahren in Wien noch mit unverkennbarem Kärntner Zungenschlag. Im Herzen ist der 41-Jährige aber ein Burgenländer – zumindest wenn es um die roten Frontlinien der vergangenen Monate geht. Aus seiner Unterstützung für Burgenlands Landeshauptmann hat er schon länger kein Hehl gemacht – auch wenn er nie zum engeren Kreis der öffentlich deklarierten Doskozil-Unterstützer gehörte. Unter Pamela Rendi-Wagner, Bablers Vorgängerin als Parteichefin, war Kucher sogar schon Vizevorsitzender des Parlamentsklubs. Dennoch schlug er sich im parteiinternen Führungskonflikt auf die Seite des Burgenländers.

Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt war Kucher bislang am ehesten als Gesundheitssprecher der SPÖ im Nationalrat, in dem er bereits seit 2013 ein Mandat hat. Von 2004 bis 2007 war er Vorsitzender des Verbands Sozialistischer Studentinnen und Studenten Österreichs (VSStÖ) in Klagenfurt, von 2009 bis 2015 auch Mitglied des Klagenfurter Gemeinderats. In seiner Heimatstadt machte Kucher einst auch den stellvertretenden Vorsitzenden der Österreichischen Hochschülerschaft an der dortigen Universität. Von 2007 bis 2013 fungierte der Klagenfurter zudem als Landesstellenleiter des roten Renner-Instituts Kärnten.

Ein besonders interessantes Detail, das für Kuchers möglichen künftigen Weg nicht ganz unerheblich scheint: Der Masterstudent der politischen Kommunikation an der Donau-Universität Krems ist seit Mai 2021 auch Bezirksparteivorsitzender der SPÖ Klagenfurt. Denn Genossinnen und Genossen, die ihn gut kennen, attestieren Kucher Ambitionen, eines Tages wieder in seine Kärntner Heimat zurückkehren zu wollen. Ihm werden ernsthafte Ambitionen auf den Klagenfurter Bürgermeistersessel nachgesagt. "Ich glaube kaum, dass er sein Standbein in Kärnten auf lange Sicht völlig aufgeben will", sagt ein roter Funktionär zum STANDARD.

Vorerst wird er aber für seine neue Aufgabe in Wien gebraucht – und als Klubchef auch auf parlamentarischer Ebene für die intern erhoffte neue Einigkeit in der Sozialdemokratie sorgen müssen. Dabei könnte dem als leutselig und jovial bekannten Kucher seine gute Vernetzung und weitgehende Beliebtheit im roten Parlamentsklub helfen.

Klaus Seltenheim: Ein Niederösterreicher zurück in Wien

Klaus Seltenheim.
APA/HELMUT FOHRINGER

Niederösterreich ist in der neuen roten Bundesspitze prominent vertreten: Seit knapp 15 Jahren steht nach Alfred Gusenbauer mit Andreas Babler wieder ein gebürtiger Niederösterreicher an der Spitze der SPÖ. Dieser Trend setzt sich auch in der neuen Bundesgeschäftsführung fort: Mit Klaus Seltenheim kommt ein weiterer Funktionär hinzu, der jahrelang in der SPÖ Niederösterreich fest verankert war.

Nicht ganz zufällig wählte Babler den 39-Jährigen in sein neues Team. Für die SPÖ organisierte Seltenheim bereits mehrere Wahlkampagnen, sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Für ihn stehe nun der Einigungsprozess der Partei ganz oben auf der Agenda. Seine bisherigen Funktionen sowohl in Niederösterreich als auch auf höchster Ebene in der Partei seien ideale Voraussetzungen dafür, betont die SPÖ in einer Aussendung. Dem STANDARD bestätigt Seltenheim zudem, dass er bei der Wahl des Bundesvorsitzes Hans Peter Doskozil unterstützt hat. Die Besetzung soll wohl einmal mehr zur Versöhnung zwischen dem Babler- und Doskozil-Lager beitragen.

Seltenheims politische Laufbahn begann in der Sozialistischen Jugend (SJ): Im Bezirk St. Pölten war er Bezirksvorsitzender und österreichweit Verbandssekretär für die Jugendorganisation. Als Brotberuf war Seltenheim nach seinem Studium für Kultur- und Sportmanagement als Kulturmanager in Deutschland tätig und konzipierte Kulturentwicklungspläne für mehrere Städte.

Ein schlagartiger politischer Aufstieg kam im Jahr 2019, als Seltenheim schon damals in die Löwelstraße wechselte. Innerhalb der Bundes-SPÖ war er für die Wahlkampagne der ehrenamtlichen Aktivistinnen und Aktivisten für die EU- und Nationalratswahl im Jahr 2019 zuständig. Als die Bundes-SPÖ im selben Jahr 27 ihrer Mitarbeiter in der Löwelstraße per E-Mail kündigte, war auch Seltenheim betroffen. Damit endete das Kapitel Bundespolitik für ihn wieder.

Er wechselte zurück in sein Heimatbundesland, wo er wenig später als Bezirksgeschäftsführer für die SPÖ St. Pölten den Wahlkampf für den dortigen Bürgermeister Matthias Stadtler bei den Gemeinderatswahlen 2020 leitete. Die SPÖ Niederösterreich unter Franz Schnabl berief Seltenheim ein Jahr später als Landesgeschäftsführer ein. Innerhalb der Landespartei war er schließlich bis vor wenigen Monaten für die Entwicklung der Partei, Mitgliederinitia­tiven und die Etablierung von Social-Media-Strukturen zuständig. Nach dem Rücktritt von Schnabl im Jänner wurde Seltenheim von Wolfgang Zwander als Landesgeschäftsführer in Niederösterreich abgelöst.

Nach mehr als drei Jahren kehrt der Niederösterreicher wieder in die Löwelstraße zurück. In ersten Statements gibt sich Seltenheim siegessicher: "Ich werde all meine Stärken und meine gesamte Erfahrung einbringen, damit wir als SPÖ wieder Erfolge feiern." (Sebastian Fellner, Max Stepan, Martin Tschiderer, 13.6.2023)