Läuferin
Die eigene Leistungsfähigkeit optimal zu nutzen und gleichzeitig das Verletzungsrisiko zu minimieren gelingt im Leistungssport besser, wenn auch der Zyklus von Athletinnen im Training beachtet wird.
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Sport ist gesund, Lachen auch. Als US-Skistar Mikaela Shiffrin zu Jahresbeginn in einem Interview angab, aufgrund einer ungünstigen Phase ihres Monatszyklus ("monthly cycle") müde zu sein, übersetzte ein ORF-Reporter, Shiffrin sei zu müde zum Radfahren ("Cycling"). Aus dem kleinen Fauxpas ist zur Freude von Astrid Mathy aber mehr hervorgegangen als schenkelklopfende Reaktionen im Internet.

"Durch diese Geschichte sind sehr viele Sportarten und Verbände auf uns zugekommen", berichtet die stellvertretende Leitern der Abteilung Sportwissenschaft von Leistungssport Austria von einem seither merklich gestiegenen Interesse am zyklusorientierten Training. Nach dem Prinzip "Track and Tailor" werden Dauer, Phasen und Symptome des Zyklus gemessen und das Training darauf maßgeschneidert abgestimmt – freilich nur dann, wenn keine hormonelle Verhütung stattfindet.

Viele Fragezeichen

Über mindestens drei Zyklen hinweg protokolliert die Athletin gemeinsam mit dem Betreuerteam möglichst präzise sämtliche Parameter von Relevanz – dazu gehört alles von Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit und verstärktem Durstgefühl über Ziehen in der Brust, schlechten Schlaf oder Rückenschmerzen bis hin zu Emotionsschwankungen. Wiederkehrende Muster können dabei wertvolle Aufschlüsse zur Steuerung der Trainingsintensität geben.

Leidet die Sportlerin beispielsweise immer am 17. Tag des Zyklus an Unterleibsbeschwerden, sollte die Belastung reduziert oder diese Phase eher zur Regeneration genutzt werden. Wie sich die Fluktuationen der Sexualhormone wie Östrogen und Progesteron während eines Zyklus auf die sportliche Leistungsfähigkeit auswirken können, ist zum derzeitigen Wissensstand nicht eindeutig.

Relativ klare Hinweise gibt es darauf, dass Frauen durch den höheren Östrogenspiegel speziell zur Mitte des Zyklus, also rund um den Eisprung, "hormonell gute Voraussetzungen haben, gute Leistungen zu erbringen", erläutert Mathy, die aktuell die Energiebereitstellung und den Sauerstoffaustausch im Körper im Zusammenspiel mit diesen Hormonen bei Athletinnen erforscht.

In der späten Follikelphase kurz vor dem Eisprung kommt es bei Sportlerinnen auch gehäuft zu Verletzungen. Eine Ursache könnte in einer veränderten Flexibilität der Bänder durch das Östrogen liegen, wird gemutmaßt. "In dieser Zeit sind wir oft sehr unkonzentriert, und das hat auch einen Einfluss auf das Verletzungsrisiko", führt Mathy noch einen weiteren möglichen Faktor ins Treffen, nicht ohne hinzuzufügen: "Die Studienlage ist aber sehr uneinig." Belastbare Daten und ein einheitliches Fazit zum weiblichen Zyklus im Sport gibt es also noch nicht, wie auch Metastudien nahelegen.

Im Verlauf des Monatszyklus steigt und fällt der Spiegel gewisser Hormone. Dieser Wechsel bestimmt körperliche Veränderungen, was auch Implikationen für das Training im (Spitzen)Sport hat. Betroffen ist die Leistungsfähigkeit ebenso wie das Verletzungsrisiko.

Zyklus der Menstruation
Im Verlauf des Monatszyklus steigt und fällt der Spiegel gewisser Hormone. Dieser Wechsel bestimmt körperliche Veränderungen, was auch Implikationen für das Training im (Spitzen)Sport hat. Betroffen ist die Leistungsfähigkeit ebenso wie das Verletzungsrisiko.
Der Standard/Oana Rotariu

Schlechte Methodik

"Ganz grob kann man sagen, dass man eigentlich nichts weiß", erklärt Antje Peuckert vom Olympiazentrum Vorarlberg, wo die promovierte Sportwissenschafterin das Projekt "Female Athlete" leitet. Sie hat es sich mit zwei Kolleginnen zur Aufgabe gemacht, in Workshops und Vorträgen über frauenspezifische Themen im Sport aufzuklären und zu deren Enttabuisierung beizutragen. "Die meisten Studien sind einfach methodisch schlecht gemacht, die Ergebnisse hätten auch Zufallsbefunde sein können. Da werden viel zu sehr pauschale Aussagen getroffen auf Basis von Dingen, die nicht zu 100 Prozent bewiesen sind", kritisiert Peuckert die bisher unzureichend aussagekräftige oder schlicht widersprüchliche Studienlage.

"In den meisten Studien ging man von einem Standardzyklus von 28 Tagen aus mit dem Eisprung am 14. Tag, ohne dass das tatsächlich gemessen wurde", gibt Peuckert ein Beispiel dafür. Ein tatsächlich zyklusbasiertes Training ist aber nur auf Basis ständiger Messungen von Östrogen, Progesteron und Co möglich, was natürlich einerseits den Aufwand für die Forschung und andererseits die Störungen im Trainingsalltag von Sportlerinnen erhöht.

Wir müssen darüber reden

Was darf angesichts solch individuell höchst unterschiedlich ausgeprägter Phänomene also getrost an allgemeingültigen Tipps weitergegeben werden, mit denen man sich nicht in irgendwelche Nesseln setzt? "Der erste Schritt ist nicht, zyklusbasiert zu trainieren, sondern zu sensibilisieren, sich selbst besser kennenzulernen, sich selbst besser zu spüren und zu merken, wo bin ich denn eigentlich belastbar. Tauchen gewisse Symptome überhaupt regelmäßig auf? Es gibt Frauen, die haben nie Probleme, in keiner Phase", sagt Peuckert.

Abgesehen vom Forschungsbedarf betonen die Expertinnen auch den Aufholbedarf, was das Allgemeinwissen von Frauen um den eigenen Zyklus betrifft. "Wir haben Gratisinformationen, die uns der Körper gibt, die wir einfach nur nutzen müssen", sagt Mathy.

Auch Peuckert ist sich sicher, dass die Bedeutung des Zyklus im Sport noch steigen wird: "Wir glauben, dass ein hohes Potenzial darin steckt, wenn man noch mehr darüber spricht, dass der Zyklus nicht mit Scham behaftet ist, sondern für die Athletinnen noch einmal Möglichkeiten schafft, ihre Leistungen zu erweitern." (Mario Wasserfaller, 23.6.2023)