Im Gastblog erklärt die Rechtsanwältin Piroska Vargha anhand eines Beispiels, worauf es bei der Unterhaltsberechnung ankommt.

Die Pflicht zur finanziellen Unterstützung besteht nicht nur während aufrechter Ehe, ein Eheteil kann auch nach einer Scheidung unter bestimmten Umständen Anspruch auf Unterhaltsleistungen haben. Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen ist der Eheteil, der allein oder überwiegend für die Scheidung verantwortlich ist, verpflichtet, dem anderen angemessenen Unterhalt zu leisten. Der Zweck dieser Regelung besteht darin sicherzustellen, dass ein bedürftiger Eheteil, der aufgrund mangelnden Vermögens oder fehlender Einkünfte nicht in der Lage ist, für sich selbst zu sorgen, weiterhin finanziell unterstützt wird. Freilich besteht der Unterhaltsanspruch nur, wenn der bedürftige Eheteil nicht in der Lage ist, seinen eigenen Lebensunterhalt angemessen zu bestreiten.

Nach der Scheidung wird der Unterhalt weiterhin nach ähnlichen Prinzipien wie während aufrechter Ehe berechnet: Für die Bemessung hat sich in der Praxis die sogenannte Prozentsatzmethode etabliert. Hat die unterhaltsberechtigte Person kein Einkommen, sollte sie 33 Prozent des Nettoeinkommens der unterhaltspflichtigen Person erhalten. Haben beide Seiten ein Einkommen (so gering es auch sein mag), stehen der unterhaltsberechtigten Person 40 Prozent des gemeinsamen Nettoeinkommens zu. Die eigenen Einkünfte werden jedoch abgezogen.

Einfamilienhaus mit Garten, Haus, Wohnen
Ein gemeinsam erworbenes Haus kann bei der Scheidung und der Unterhaltsberechnung eine große Rolle spielen.
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Zwar besteht der Unterhalt für gewöhnlich in Geldleistungen, es kann aber auch sogenannter Naturalunterhalt geleistet werden. Ein klassisches Beispiel dafür ist die Bereitstellung einer (Ehe-)Wohnung durch eine unterhaltspflichtige Person an die unterhaltsberechtigte Seite. Aber was gilt, wenn die Ehewohnung beiden Partnern gehört? Ist das Verbleiben in der gemeinsamen Ehewohnung dann auch als Naturalunterhalt desjenigen, der aus der Wohnung auszieht, zu werten? Mit diesen Fragen durfte sich jüngst der Oberste Gerichtshof (OGH, 8 Ob 164/22h) auseinandersetzen.

Gemeinsames Einfamilienhaus

Die streitenden Parteien waren Eigentümer eines Einfamilienhauses, das sie während ihrer Ehe gemeinsam bewohnten. Der Ehemann verließ das Haus im August 2016, zahlte aber weiterhin die Kreditraten, während die Ehefrau bis Juni 2021 in dem Haus wohnte. Dieses wurde im Anschluss verkauft und der Erlös zwischen den Partnern aufgeteilt.

Die Ehefrau forderte in der Folge Unterhaltszahlungen von ihrem nunmehr geschiedenen Ehemann. Die unteren Instanzen gaben der Klage der Ehefrau auf Unterhalt ab September 2016 teilweise statt. Dabei wurde von dem nach der Prozentsatzmethode ermittelten Geldunterhaltsanspruch der Ehefrau 25 Prozent abgezogen. Die Ehefrau wollte sich dagegen wehren und wandte sich an den OGH. Dieser erachtete die Revision der Klägerin jedoch für nicht zulässig und führte wie folgt aus:

Hat die Ehefrau nicht für die Kosten der Wohnversorgung aufzukommen, so ist es nicht mehr erforderlich, den gesamten Geldunterhalt zur Deckung ihres Bedarfs einzusetzen. Die Ehefrau sollte daher diejenigen Wohnkosten, die sie normalerweise selbst zahlen müsste, in angemessener Höhe auf ihren Geldunterhaltsanspruch anrechnen lassen. Die Ehefrau argumentierte, um den Abzug zu bekämpfen oder zumindest zu mindern, dass sie die Grundsteuer, den Rauchfangkehrer, Wasser- und Kanalgebühren sowie Stromkosten finanziert habe. Der OGH hielt dem jedoch entgegen, dass die Wohnversorgung durch den Ehemann nicht deshalb geringer berücksichtigen werden sollte, nur weil er nicht auch die Kosten für die Nutzung der Wohnung trägt.

Möglichkeit der Anrechnung

Die Kosten für die Wohnversorgung sind vom Unterhaltsanspruch abzuziehen, jedoch gibt es auch hier eine Einschränkung und in der Folge für die Ehefrau eine "Erleichterung". Einer unterhaltsberechtigten Person, hier der Ehefrau, muss nämlich stets ausreichend Unterhalt in Geld übrigbleiben, um ihren über die Wohnversorgung hinausgehenden persönlichen Lebensbedarf sicherzustellen. Grundsätzlich lässt die Rechtsprechung – bei durchschnittlichen Vermögensverhältnissen – daher lediglich die Kürzung des in Geld zu leistenden Unterhaltsanspruchs um ein Viertel zu.

Mit dieser Entscheidung verdeutlicht der OGH, dass die Zurverfügungstellung einer im Miteigentum stehenden Wohnung ebenfalls als Naturalunterhalt zu betrachten ist. Bei der Berechnung des in Geld- und in Naturalleistungen zu zahlenden Unterhalts ist jedoch immer die konkrete Lebens- und Vermögenssituation der unterhaltsberechtigten Seite zu berücksichtigen. Es ist wichtig, dass die unterhaltsberechtigte Person ihren sonstigen persönlichen Lebensbedarf mithilfe der (verbleibenden) Geldmittel, die ihr als Unterhaltsleistung zur Verfügung stehen, decken kann. Andernfalls darf der Naturalunterhalt lediglich in geringerem Ausmaß angerechnet werden. (Piroska Vargha, 16.6.2023)