Der Präsident der diesjährigen Klimakonferenz, Sultan Ahmed Al Jaber, steht in der Kritik, weil er gleichzeitig auch der Chef des staatlichen Erdölunternehmens Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc) ist.
EPA/Benjamin Westhoff

Zehn Tage lang haben die Staaten in Bonn in Vorbereitung auf die Weltklimakonferenz verhandelt. Deutlich wurde dabei vor allem, wie weit die Verhandlungspositionen der Staaten auseinanderklaffen: Während ärmere Staaten finanzielle Zusagen von den Industriestaaten fordern, setzen diese den Fokus auf die Minderung der Emissionen. 

Derzeit seien die Regierungen stark gespalten, sagt Tom Evans von der Organisation E3G. "Der Prozess braucht jetzt viel politische Aufmerksamkeit, aber wir sehen kaum Staaten, die Zugkraft aufbauen." Genau diese bräuchte es aber, um Einigungen zu erreichen.

In der Kritik steht allen voran die diesjährige Präsidentschaft der Klimakonferenz: die Vereinigten Arabischen Emirate, deren Bruttoinlandsprodukt zu 30 Prozent direkt auf der Öl- und Gasindustrie basiert. Wie stark die Industrie in diesem Jahr an den Verhandlungen beteiligt werden soll, zeigt auch die umstrittene Ernennung von Sultan Ahmed Al Jaber zum COP-Präsidenten: Er ist gleichzeitig auch der Chef des staatlichen Erdölunternehmens Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc). Jaber argumentiert, es brauche die Öl- und Gasindustrie für die Transformation – und verweist auf seine Erfahrung mit Erneuerbaren Energien. Er war CEO des emiratischen Unternehmens Masdar, das weltweit in Sonne- und Windkraftanlagen investiert. 

Was genau Jaber für die Weltklimakonferenz plant, sei allerdings weiterhin unklar, erklärt Evans von E3G. Auch die Zwischenverhandlungen in Bonn hätten diesbezüglich keinen Aufschluss gegeben. 

Greta Thunberg bei Bonner Klimakonferenz zur Vorbereitung der COP28
Delegierte aus aller Welt bereiten in Bonn die nächste UN-Klimakonferenz vor. Mit dabei ist auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg. Sie mahnt zum schnellen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen und beklagt fehlendes politisches Handeln
AFP

Misstrauen wegen fehlender Milliarden

Aber nicht nur die Vereinigten Arabischen Emirate hätten bislang für wenig Klarheit gesorgt, auch ansonsten seien die Vorverhandlungen in Bonn enttäuschend vage geblieben, ergänzt David Ryfisch vom Thinktank Germanwatch. Dabei gäbe es zwei große Knackpunkte: Einerseits die Frage, auf wie viel viel Klimaschutz beziehungsweise Emissionseinsparungen sich die Staaten einigen können, und andererseits die Diskussion dazu, wer wie viel Geld zur Verfügung stellen muss.  

"Die Entwicklungsstaaten sind sehr misstrauisch, weil die Industriestaaten ihr 100-Milliarden-Versprechen für die Klimaschutz bislang nicht eingelöst haben", so Ryfisch. So sagten die reichsten Staaten zu, bis 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar an Klimafinanzierung an ärmere Staaten zu zahlen – ein Versprechen, das in den vergangenen Jahren nie eingehalten wurde. An dem daraus resultierenden Misstrauen ändere auch die Zusage zum neuen Fonds für Klimaschäden nichts, erklärt Ryfisch. 

Suche nach neuer Finanzierung

Für die kommenden Monate sind mehrere Gipfel geplant, welche den globalen Klimaverhandlungen Schwung geben sollen. Etwa veranstaltet UN-Generalsekretär António Guterres für September den "Climate Ambition Summit", zu dem Regierungen, Unternehmen und Zivilgesellschaft eingeladen sind, die bereits greifbare Veränderungen umsetzen wollen.

Eine weiterer Gipfel findet kommende Woche statt: Paris organisiert den "Summit for a New Global Financing Pact", der die Diskussion um die Reform des globalen Finanzsystems vorantreiben soll. Ziel dessen ist, dass ärmere Staaten leichter Zugang zu Geld erhalten sollen, um sich an den Klimawandel anzupassen und in ihre Entwicklung zu investieren. Zur Diskussion steht etwa, Schulden zu erlassen sowie neue Steuern für den Schiffs- und Flugverkehr einzurichten. 

"Diese Veranstaltungen können die Menschen an einen Tisch bringen. Aber wie eine Antwort darauf aussehen soll, wie wir tatsächlich die Erderhitzung eindämmen können, ist nicht in Sicht", kritisiert Evans. 

Dieses Jahr gibt es eine Bestandsaufnahme

Fortschritte gab es auf der Konferenz in Bonn in Sachen Fazit zum Thema Kampf gegen die Erderhitzung, das zum ersten Mal gezogen wird. Die sogenannte "globale Bestandsaufnahme" schlüsselt im Detail auf, wo die Welt im Kampf gegen die Erderhitzung steht. Nach der Konferenz in Bonn steht der Präsentation der Bilanz nun nichts mehr im Weg. 

Der Tenor dieser Bilanz ist erwartbar: Die Staaten sind weit davon entfernt, die Pariser Klimaziele einzuhalten. Die Ergebnisse sollen die Grundlage für die Klimaverhandlungen in Dubai sowie für die folgenden Jahre liefern. Sie zeigen die Fortschritte bei der Reduktion der Treibhausgase, er Resilienz gegenüber Klimarisiken und dem Ausbau finanzieller und technischer Ressourcen. "Die Bestandsaufnahme wird uns zeigen, wo wir stehen, wo wir hinmüssen und wie wir dort hinkommen", so Simon Stiell, Chef des UN-Klimasekretariats.

Als sich die Staaten auf das Pariser Klimaabkommen einigten, verankerten sie dort auch die globale Bestandsaufnahme für 2023. Denn von Anfang an war klar, dass die Maßnahmen der Staaten anfangs nicht reichen würden, um die Pariser Ziele zu erreichen. Die Bestandsaufnahme misst deshalb, was die einzelnen Staaten beitragen – und soll dazu führen, dass sie stetig nachbessern. (Alicia Prager, 15.6.2023)