Grandioses Ensemble, aber etwas länglich:
Grandioses Ensemble, aber etwas länglich: "The Black Rider" im Landestheater Bregenz.
©anja koehler | andereart.de

Der Abend beginnt schon im Treppenaufgang zum Zuschauerraum. In den Fensternischen sitzen Figuren mit weißen Gesichtern und schwarzen Lippen. "Don’t touch the actors", steht auf einem Schild. Sie schauen nach draußen, einer singt leise, einer liest eine Geschichte mit einem Jäger vor. Im Zuschauerraum Vogelgezwitscher, ab und zu raunt eine Stimme "Gleich fangen wir an" ins Mikrofon. Doch bis es wirklich anfängt in Black Rider, dauert es.

Das Vorarlberger Landestheater in Bregenz hat zum Abschluss der Saison das Kult-Kunst-Musical ins Programm gewuchtet – mit zwölf Personen (davon fünf Musiker) auf der Bühne ist das für das kleine Theater eine große Produktion. Regisseur Robert Wilson, Autor William S. Burroughs und Songwriter Tom Waits haben The Black Rider einst in Anlehnung an die Freischütz-Sage erschaffen. Der Schreiber Wilhelm kann Förstertochter Käthchen nur heiraten, wenn er Jäger wird und den Probeschuss trifft – "easy said und schwer getan". Er lässt sich vom personifizierten Bösen, Stelzfuß genannt, verführen und erhält magische Kugeln, die alles treffen. Die letzte Kugel aber gehört dem Bösen – sie trifft Käthchen.

1990 am Thalia-Theater Hamburg uraufgeführt, zählt The Black Rider heute eigentlich schon zu den Klassikern auf den Bühnen im deutschsprachigen Raum. Das liegt auch am fantastisch-knarzenden Sound von Tom Waits, der sich mit vielen Ohrwürmern ins Herz bohrt. In Bregenz trägt die Musik den Abend, die Band (Leitung: Oliver Rath) breitet mitreißend und düster einen ganz eigenen Klangteppich aus.

Albtraumhaft-schöne Bilder

Regisseur Johannes Lepper, der in Bregenz bereits König Ottokars Glück und Ende,Julius Cäsar,König Ödipus und Die Vögel inszenierte, erzeugt ein finsteres Varieté-Ambiente – er kreierte auch Bühnenbild und Video. Schwarz, weiß und rot herrschen vor (Kostüme: Sabine Wegmann).

Auf der Bühne sitzt die Band, dahinter blenden Videoprojektionen erst Chaos ein, den Sturm aufs Weiße Haus, Feuer, Wortkaskaden. Später einen toten Wald, Tränen tropfen. Nicht nur Käthchen, die ganze Welt ist dem Untergang geweiht. Lepper und das Ensemble finden immer wieder albtraumhaft-schöne Bilder.

So genau Lepper und Rath den Ton in der Musik treffen, so sehr verfehlt ihn Lepper in den Szenen, die er ausufernd mäandernd anlegt und die so ins Nichts zielen. Die Schauspieler, die zupackend spielen und grandios singen, müssen zu viele Szenen des dreistündigen Abends ausdehnen, verlieren sich im Klein-Klein. Hier noch eine Zombienummer, da noch ein Tänzchen an der Stange. Dieser Black Rider, der ein finsterer Abgrund sein könnte, kommt überraschend harmlos daher. Das Böse ist nicht mehr böse. (Julia Nehmiz, 15.6.2023)

Bis 29. 6.