Zeiten ohne parlamentarische Untersuchungsausschüsse sind in der österreichischen Politik mittlerweile eine Seltenheit. Ob Eurofighter-Deal oder Hypo Alpe Adria, ob BVT oder Ibiza: Fast jeder größere Skandal der vergangenen Jahre löste politische Untersuchungen aus. Derzeit ist allerdings Pause – nach dem unrühmlichen und abrupten Ende des ÖVP-Ausschusses, als sich auch die Opposition zerstritten hatte, schien die Lust der Parlamentarier auf weitere Untersuchungen gedämpft.

Das dürfte sich nun geändert haben. Dem Vernehmen nach plant die SPÖ, noch vor der Sommerpause des Parlaments ein sogenanntes Verlangen auf Einsetzung eines U-Ausschusses einzubringen. Starten würde der dann im Herbst, erste Befragungen wären im Dezember oder zu Jahresbeginn 2024 möglich – und sie könnten sich bis in den Wahlkampf ziehen, da ja spätestens im Herbst 2024 ein neuer Nationalrat gewählt wird.

Rot-Pink oder Rot-Blau?

Für die Einsetzung eines U-Ausschusses hat die SPÖ die Qual der Wahl. Das gilt einerseits für eine Zusammenarbeit, sind doch entweder die Stimmen von Neos oder FPÖ nötig. Andererseits gibt es auch thematisch einige Ideen. Vor allem haben sich da in den vergangenen Tagen die Deals von Unternehmer René Benko aufgetan. Da könnte sich das Parlament dafür interessieren, welche Rolle die türkis-blaue Regierung sowohl beim Kauf des Leiner-Flagshipstores im Dezember 2017 als auch bei der Übernahme der Möbelkette Kika/Leiner im Sommer 2018 jeweils durch die Signa gespielt hat.

Chats belegen jedenfalls hektische Betriebsamkeit im Hintergrund. Auch die Frage der Corona-Förderungen und Steuerstundungen für den nun verkauften und insolventen Möbelhändler könnte erörtert werden. Der blaue Generalsekretär Christian Hafenecker forderte zuletzt selbst einen Kika/Leiner-U-Ausschuss. Auch bei den Grünen würde man sich dem Vernehmen nach dafür interessieren.

Kurz und Benko schütteln einander bei einem Adventfest die Hand
Wie hat die Regierung Kurz dem Unternehmer René Benko geholfen? Das könnte ein neuer U-Ausschuss prüfen.
APA/HANS KLAUS TECHT

Corona-Förderungen könnten aber auch selbst zum U-Ausschuss-Thema werden. Das Konstrukt und Agieren der Covid-Finanzierungsagentur Cofag ist vom Rechnungshof zerlegt worden, auch der Verfassungsgerichtshof beschäftigt sich gerade mit der unter Türkis-Grün eingerichteten Organisation. Die SPÖ vermutet eine massive Überförderung, die den Steuerzahler Milliarden gekostet hat. Für eine Untersuchung der Cofag wären wohl auch die Neos zu haben.

Thema Terror

Bleibt zuletzt noch das Thema Terroranschlag: Fast jedes EU-Land hat nach tödlichen Anschlagen politische Untersuchungen angestellt, ob nach dem Attentat am Berliner Breidscheitplatz oder dem Angriff auf Lokale und das Konzerthaus Bataclan in Paris. In Österreich unterblieb ein U-Ausschuss bislang, obwohl es viele Fragen gibt rund um Behördenfehler und falschen Ressourceneinsatz – etwa den Fokus des Verfassungsschutzes auf die pannenbehaftete Operation Luxor gegen angebliche Muslimbrüder. Mit so einem U-Ausschuss könnten SPÖ und Neos sowohl Kanzler Karl Nehammer (ÖVP), der damals Innenminister war, als auch FPÖ-Chef Herbert Kickl, in dessen Ära als Innenminister das BVT in heftige Turbulenzen geriet, ins Visier nehmen. Der Nachteil davon: Das Thema "Terror" und "gefährliche radikale Muslime" würde betont werden; solche Sicherheitsfragen würden womöglich ÖVP und FPÖ einen Auftrieb geben.

Offiziell heißt es von Kai Jan Krainer, dem U-Ausschuss-Experten der SPÖ, man prüfe derzeit verschiedene Varianten. Wenn die Präferenzen feststehen, wird die SPÖ dann in Verhandlungen mit anderen Oppositionsparteien treten. Neos-Politikerin Stephanie Krisper fordert, dass die Bundesregierung "dringend ihre Hausaufgaben machen und endlich das umsetzen" müsse, "was vom letzten U-Ausschuss offen geblieben ist" – etwa ein Informationsfreiheitsgesetz einführen, eine unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft etablieren oder ein schärferes Korruptionsstrafrecht auch umsetzen. Außerdem sollen U-Ausschüsse öffentlich sein. (Fabian Schmid, 16.6.2023)