Die Appelle an die Politik werden lauter, und sie werden immer eindringlicher: Der aktuellen Krise im Wohnbau müsse ein "Jahrzehnt der Gemeinnützigkeit" folgen, lautete der Tenor am jüngsten Verbandstag der Gemeinnützigen in Salzburg. Die führenden Vertreterinnen und Vertreter des Verbands hatten sich dafür einmal mehr Unterstützung vom Wifo geholt: Wohnbauforscher Michael Klien umriss in seinem Referat die aktuelle Situation und leitete daraus Schlussfolgerungen ab. "Im Moment können wir am Wohnungsmarkt beziehungsweise beim Wohnbau live miterleben, wie es zu einem Umbruch kommt", sagte Klien. Der private Wohnungsbau komme gerade zum Erliegen.

Die Hoffnung der Ökonomen sei, "dass die Gemeinnützigen weiterhin bauen und ein gewisses Volumen zusammenbringen". Das sollte letztlich auch "zu einer Stabilisierung der Bauwirtschaft, vor allem bei den Arbeitsplätzen", führen. Mit dem "Jahrzehnt der Gemeinnützigen" sei auch "die Hoffnung an die Politik verbunden, dass diese stabilisierende Wirkung, die die GBVs leisten können, auch eintritt".

So wie der gesamte Wohnbau kommt auch der soziale Wohnbau zum Erliegen, die gemeinnützigen Bauträger fordern Maßnahmen.
So wie der gesamte Wohnbau kommt auch der soziale Wohnbau zum Erliegen, die gemeinnützigen Bauträger fordern Maßnahmen.
Putschögl

Raschere Widmungen, leistbare Grundstücke

GBV-Obmann Klaus Baringer betonte in seiner Rede, dass die Gemeinnützigen "ein starker Partner der Politik, ein zuverlässiger Auftraggeber der Bauwirtschaft, ein sicherer Partner der Banken" seien. Doch die aktuellen Herausforderungen mit hohen Baupreisen und hohen Zinsen seien groß, da gelte es, Kräfte zu bündeln. Baringer forderte konkret raschere Widmungsverfahren sowie ein "Commitment" aller Gebietskörperschaften, für leistbare Grundstücke zu sorgen – denn diese seien die Basis für leistbares Wohnen. Hier sei auch der Bund stark gefordert.

Doch die aktuell größte Herausforderung sei die Finanzierung. "Zahlreiche Bauträger stellen vor allem aufgrund der Finanzierungssituation ihre Bauprojekte vorerst ein oder verschieben sie", dem könne nur mit einer maßgeblichen Anhebung der Wohnbaufördermittel entgegengetreten werden, sagte Baringer. Außerdem sollte der Bund "Garantieerklärungen für die Kapitalmarktdarlehen der Gemeinnützigen" abgeben. So sollen günstigere Kapitalmarktdarlehen möglich sein.

Dekarbonisierung braucht viel Geld

Und für die anstehende Dekarbonisierung brauche es noch zusätzliche Mittel der öffentlichen Hand, "sodass Finanzierungen in jenem Umfang möglich sind, um die Vorgaben der Europäischen Union bis 2040 auch erfüllen zu können". Den Gemeinnützigen schwebt hier eine neue Förderschiene des Bundes vor, "die ohne lokale und regionale Differenzierungen den privaten, gewerblichen und gemeinnützigen Eigentümern die Erreichung dieser eminent wichtigen Zielsetzungen ermöglicht und damit die Wohnbauförderung der Länder maßgeblich entlastet".

Einen Tag vor dem Verbandstag hatte dazu wie berichtet auch die Arge Eigenheim, die ÖVP-nahe Fraktion unter den Gemeinnützigen, Ideen präsentiert. Gleich zwei neue Wohnbaufördertöpfe forderte Arge-Obmann Christian Struber, neben der schon bisher üblichen Wohnbauförderung der Länder sollte es auch einen zweiten Topf mit einer "Klimaschutzförderung" geben, finanziert vom Bund und aus EU-Mitteln, unter anderem von der Europäischen Investitionsbank (EIB), aus dem die Dekarbonisierung finanziert werden sollte. Und auch ein dritter Topf namens "Soziale Wohnbauförderung" schwebt der Arge Eigenheim vor, gefüllt unter anderem mit jenem Geld, das im Rahmen der "Wohnschirm"-Aktion der Bundesregierung zur Verfügung gestellt wurde.

Eine neue Wohnbauinvestitionsbank?

Von SPÖ-Bautensprecherin Ruth Becher wurde diese Initiative sogleich freudig aufgenommen, erblickte sie insbesondere in dem zweiten Topf doch einen neuen Vorstoß für eine Wohnbauinvestitionsbank (WBIB). "Die Sicherung langfristiger Finanzierungen für jenen Bereich der Wohnbauwirtschaft, der ohne Gewinnstreben modernes, leistbares Wohnen ermöglicht, ist richtig und wichtig", schrieb sie in einer Aussendung. Nachsatz: "Leider vermisse ich hier jede Initiative der Bundesregierung."

Der SP-nahe Verein für Wohnbauförderung hielt unmittelbar vor dem Verbandstag seine Generalversammlung ab und stellte dabei ebenfalls Forderungen auf. Konkret verlangte Vereinsobmann Michael Gehbauer einmal mehr die Wiedereinführung der Zweckbindung von Wohnungsförderungsbeiträgen und Rückflüssen aus gewährten Wohnbauförderungsdarlehen. Zuletzt seien von rund 2,5 Milliarden Euro Einnahmen aus diesem Titel nur 1,9 Milliarden Euro für die Wohnbauförderung ausgegeben worden, sagte Gehbauer – "600 Millionen Euro, die dem Wohnbau fehlen". Weiters soll aus dem allgemeinen Budget eine zusätzliche Wohnbaumilliarde für den Neubau zur Verfügung gestellt werden, um die Bauleistung bei leistbaren Mietwohnungen wieder entsprechend anzukurbeln. Denn sonst könnte es schon bald einen Engpass bei Sozialwohnungen geben.

Politstreit in Niederösterreich

Genau darüber ist nun in Niederösterreich ein politischer Streit entbrannt. Das Land Niederösterreich hat, wie vom STANDARD berichtet, in der jüngsten Sitzung des Wohnbauförderungsbeirats nur Förderungen für Sanierungen, nicht aber für Neubauten beschlossen. SP-NÖ-Chef Sven Hergovich nahm das zum Anlass, um via "Kronen Zeitung" vor einem Mangel an Sozialwohnungen zu warnen, und sprach dabei von einem "skandalösen Baustopp". 

Die neue niederösterreichische Wohnbaulandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) wollte das nicht auf sich sitzen lassen und wies in einer Aussendung darauf hin, dass sich "fast 6.000 Wohneinheiten im geförderten Wohnbau aktuell in der Bauphase" befänden, zudem habe die SPÖ der Gewährung der Fördermittel in dieser Sitzung zugestimmt. Und die Förderung von Sanierungen sei schließlich "ein wichtiges Mittel zur Förderung der Ortskerne und gegen Bodenversiegelung".

SPÖ-NÖ-Landesgeschäftsführer Wolfgang Zwander sah sich dann aber nochmals zu einer Richtigstellung bemüßigt: "Wir haben zugestimmt, dass es Geld für Sanierungen gibt – was auch absolut notwendig und richtig ist. Die Untätigkeit im geförderten Neubau – auf Kosten der Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher – lehnt die SPÖ schärfstens ab", so Zwander in einer Aussendung. Das letzte Wort dürfte hier noch nicht gesprochen sein. (Martin Putschögl, 16.6.2023)