Sonderausstellung
Die Sonderausstellung "Energiewende" des Technischen Museums Wien begrüßt mit einem Statement.
Technisches Museum Wien

Bestimmte Formen der Nutzung von Technologie haben die Klimakrise verursacht. Andere Formen ihrer Nutzung sollen sie lösen. Dieser Befund, der zugleich auch ein nicht unumstrittenes Versprechen ist, steht im Zentrum einer umfangreichen Sonderausstellung, die im Technischen Museum in Wien zu sehen ist.

Von Mitte Juni bis Ende des Jahres tut das Bundesmuseum dies auf fünf Ebenen mit der neuen Schau "Energiewende. Wettlauf mit der Zeit". Der Name ist Programm: Er bekräftigt die Mahnungen der Forschungscommunity, wonach es höchste Zeit ist, zu handeln – sofern man die Auswirkungen der Erderwärmung in einem überschaubaren und möglichst wenig schmerzhaften Rahmen halten möchte.

Energiewende bis 2040

"Österreich hat große Ziele – 2040 soll die Energiewende Realität sein", sagt Peter Aufreiter, Generaldirektor des Technischen Museums, der gleichzeitig betont, dass das auch zu schaffen sei. "Ich bin sehr optimistisch, und so haben wir auch versucht, diese Ausstellung zu gestalten." Dabei verzichte die Schau auf einen erhobenen Zeigefinger: "Wir sagen nicht, es muss so gehen, und anders geht es nicht. Sondern wir stoßen Diskussionen an."

Technisches Museum Wien Ausstellung
Auch das umstrittene Thema Wasserstoff kann interaktiv ausgelotet werden.
Technisches Museum Wien

Die Sonderausstellung ist eine Zusammenarbeit mit dem Klimaministerium, wobei der ministeriale Beitrag laut Aufreiter in einer "sehr wesentlichen Finanzierung der Ausstellung" sowie in "fachlicher Unterstützung durch Bereitstellung eines wissenschaftlichen Beirats" besteht.

Formal setzt das Kuratorenteam auf die bewährte Kombination aus Exponaten des Hausbestandes, Schaubildern und interaktiven Mitmachstationen. Letzteres ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass mehr als die Hälfte der Besucher des Technischen Museums Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren sind. "Das Thema hat eine so hohe Komplexität, dass es uns mehr als fordert und teilweise sogar überfordert", meint der leitende Kurator Jürgen Öhlinger. "Das verstellt uns dabei den Blick auf das Wesentliche – die Bekämpfung der globalen Erwärmung."

Ursachenforschung und Lösungen

Die neue Ausstellung versucht diesen Blick freizulegen. Die fünf Ebenen folgen dabei einem didaktisch klaren Ablauf. Ganz unten geht es um die Frage nach den physikalischen Ursachen von globaler Erwärmung sowie um ihre Konsequenzen – beispielsweise ansteigende Meeresspiegel, Verlust der Biodiversität, gehäuftes Auftreten von extremen Wetterereignissen.

Die beiden Stockwerke darüber stellen Lösungen vor. Alternative Formen des Konsumierens und Wirtschaftens finden sich hier ebenso wie neue Speichertechnologien, effiziente Verkehrslösungen und Denkanstöße zu verändertem Konsumverhalten. Auch die polarisierende These "Das beste Auto ist kein Auto" haben die Macher aufgegriffen. Wer sich fit genug fühlt, kann zwischendurch auf einem Hometrainer testen, wie viel Energie in ihm steckt.

Komplexe Klimaparameter

Einen Höhepunkt der Ausstellung findet man in der vierten Etage. Besucher können hier auf einer abgespeckten Version des vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) mitentwickelten Klimasimulators En-ROADS das komplexe Zusammenspiel unterschiedlicher klimarelevanter Parameter erkunden. Insgesamt 18 Regler stehen zur Verfügung, deren Wert man auf einer Skala beliebig einstellen kann.

Sonderausstellung
Mit einem interaktiven Simulator können Maßnahmen zum Klimaschutz und ihre Effekte berechnet werden.
Technisches Museum Wien

Darunter befinden sich etwa der Anteil von Kernkraft im Strommix, die Energieeffizienz in Gebäuden und Industrie oder der CO2-Preis. Je nach Einstellung der Werte ändern sich die Auswirkungen auf die Menge der Treibhausgasnettomissionen und die Globaltemperatur, was direkt auf großen Bildschirmen grafisch angezeigt wird.

Positive Vision für die Zukunft

Die oberste Etage schließlich löst auf originelle Weise das Optimismusversprechen von Generaldirektor Aufreiter. Auf mehreren Monitoren erzählen Forschende, darunter der Meeresbiologe Gerhard Herndl von der Universität Wien oder die Energieexpertin Tara Estern vom Austrian Institute of Technology (AIT), über Lösungen in ihrer jeweiligen Fachdisziplin. Der Clou dabei: Die Berichte der Wissenschafter und Wissenschafterinnen finden in einer fiktiven Zukunft statt, in der alle nötigen Maßnahmen bereits umgesetzt wurden, die Klimakrise gelöst ist und das ökologische Gleichgewicht wieder besteht.

So berichtet etwa Herndl davon, dass es durch Anpflanzungen von Seegraswiesen in küstennahen Gewässern gelungen sei, die natürliche Funktion von Seegras als CO2-Speicher wieder zu nutzen. Ganz ohne Zeigefinger geht es freilich dann doch nicht. Die Stoßrichtung ist klar und zieht sich unverkennbar durch die gesamte Ausstellung. Klimawandel wird hier nicht distanziert dokumentiert, sondern als lebensweltliches Problem ernst genommen. Übergroße, bewegliche Buchstaben im Eingangsbereich machen das explizit: Mehrmals pro Stunde formen sie die Worte "time to act", also: Es ist Zeit, zu handeln. (Raimund Lang, 16.6.2023)