Für Transpersonen ist es besonders schwierig, sich zur Wehr zu setzen, und so ist es kein Wunder, dass aus ihrer Situation politisches Kleingeld geschlagen wird.
Für Transpersonen ist es besonders schwierig, sich zur Wehr zu setzen. Es ist kein Wunder, dass aus ihrer Situation politisches Kleingeld geschlagen wird.
Reuters / Brendan McDermid

Die Gleichberechtigung queerer Menschen ist bis heute nicht erreicht. Immer noch kann ihnen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung der Mietvertrag oder das Hotelzimmer verwehrt werden. Immer noch können Jugendliche zur "Konversionstherapie" geschickt werden, um ihre Sexualität oder Geschlechtsidentität zu "heilen". Immer noch können Paare nicht händchenhaltend durch die Straßen spazieren, ohne Angst, angefeindet zu werden.

Jahrzehntelang ging es voran für die LGBTIQ-Bewegung. Doch nun erlebt sie ihren ersten großen Rückschlag. Egal ob in den USA, in Europa oder in Afrika: Weltweit wird wieder in die Freiheit queerer Menschen eingegriffen, Gesetze werden zurückgenommen, Einschränkungen eingeführt. In Österreich werden zwar aktuell politisch keine Einschnitte in die Rechte Homosexueller gefordert. Doch auch hierzulande erleben wir einen Backlash. Er betrifft in erster Linie die kleinere Gruppe der Transmenschen – Menschen, deren bei der Geburt eingetragenes Geschlecht sich nicht mit ihrer entwickelten Geschlechtsidentität deckt. Sie werden vermehrt zum Ziel rückständiger Propaganda.

Ideologischer Streit auf Kosten einer Minderheit

Dabei wird verkannt, dass sich die Debatte um einen kleinen Teil der Bevölkerung dreht, der ohnehin schon ausgegrenzt wird. Die Zahlen variieren, doch derzeit wird angenommen, dass sich weniger als ein Prozent der Gesellschaft als trans identifiziert. Die österreichische Sozialversicherung schätzt, dass es 400 bis 500 Personen in Österreich sind. Im Vergleich zum Rest der Bevölkerung sind sie öfter von Hasskriminalität betroffen und haben als Folge ein höheres Risiko, psychisch zu erkranken. 

Auf ihre Kosten ist ein ideologischer Streit entbrannt: Sie werden von rechten Akteuren, aber auch von kleinen Teilen der Linken zum Feindbild stilisiert. Auch die heimische Politik instrumentalisiert sie: So zeigte die Volkspartei am Mittwoch mit ihrer Weigerung, Transmenschen beim Verbot der Konversionstherapie einzubeziehen, woher bei ihr der Wind weht. Und die FPÖ? Populistische Aktionen wie zuletzt das Wettern gegen die leuchtenden Regenbogenfarben am Parlament sind für sie das Erfolgsrezept, um Wahlen zu gewinnen.

Hormontherapien für Jugendliche sind klar geregelt

Manche der Argumente in der Debatte erinnern daran, wie einst Homosexualität dämonisiert wurde: Transidentität wird als psychische Störung dargestellt, oft wird der Kinderschutz als Vorwand benutzt – demnach würden Transpersonen Kinder in Bezug auf Geschlechteridentitäten "indoktrinieren". Darunter mischen sich haarsträubende Ideen, Transmenschen würden sich als reiner Fetisch als das andere Geschlecht "verkleiden" – aber auch nachvollziehbare Bedenken, Jugendliche könnten eine Geschlechtsangleichung eines Tages bereuen.

Tatsache ist: In Österreich sind Behandlungen wie die Hormontherapie für Jugendliche nur nach umfassender medizinischer Begleitung möglich. Wer sie anstrebt, braucht eine Einschätzung aus der Psychotherapie, eine Stellungnahme durch eine Psychiaterin oder einen Psychiater sowie einen klinisch-psychologischen Befund. Auch die Eltern müssen eingebunden werden.

Gewalt braucht keine Geschlechtsänderung

Häufig aufgebracht wird die angebliche Bedrohung für Frauen in geschützten Räumen wie Umkleidekabinen, Toiletten oder gar Frauenhäusern. Die These: Männer könnten und würden sich als Transfrauen ausgeben, um in geschützte Bereiche einzudringen und Frauen zu belästigen. Immer wieder werden dafür beispielhaft Einzelfälle aus allen Teilen der Welt angeführt, aufgeblasen und als stellvertretend für eine ganze Gruppe dargestellt.

Nur: Verbrechen, vor allem Gewaltverbrechen an Frauen, werden schon jetzt und ganz ohne Transition überwiegend von Männern begangen. Das lässt sich an jeder Kriminalitätsstatistik ablesen, die eine Trennung nach Geschlechtern beinhaltet. Ein Schild vor einer Toilette, das signalisiert, dass nur Frauen erwünscht sind, wird einen Mann, der eine Frau belästigen will, nicht davon abhalten. Dafür braucht er sein Geschlecht nicht zu ändern.

Ein leichtes Opfer erkoren

Kaum eine Minderheit wird aktuell öffentlich so angefeindet wie Transpersonen. Das hat einen Grund: Marginalisierte Gruppen sind ein leichtes Opfer. Für sie ist es besonders schwierig, sich zur Wehr zu setzen, und so ist es kein Wunder, dass aus ihrer Situation politisches Kleingeld geschlagen wird.

Dabei würde eine Gleichberechtigung von Transpersonen und ihr Schutz vor Diskriminierung den allergrößten Teil der Gesellschaft nicht tangieren. Bedenken hinsichtlich des Missbrauchs einer geschlechtlichen Selbstbestimmung, etwa um das Pensionsalter zu verringern, könnten mit gesetzlichen Handgriffen ausgeräumt werden – Betrug bleibt schließlich auch hier Betrug. Klar ist: Eine inklusive Gesellschaft erfordert, sich mit ihren Minderheiten zu solidarisieren – oder sie zumindest zu akzeptieren. Deswegen gehen Transrechte uns alle an. (Muzayen Al-Youssef, 17.6.2023)