Das Baby ist da, und auf einmal stören die vielen Autos in der Stadt besonders. Plötzlich macht einem der viele Plastikmüll Sorgen, die heißen Tage, die immer mehr werden, die vielen Flugzeuge am Himmel. Plötzlich merkt man: Es geht nicht mehr nur um mich! Die Erde sollte noch länger intakt bleiben, damit es auch mein Kind noch schön hat. 

Dass Menschen klimabewusster werden, wenn sie Eltern werden, kann tatsächlich vorkommen. Der Effekt nennt sich in der Fachsprache Green Parenthood Effect. Untersucht worden ist er erstmals in den 1980er-Jahren, wie der Umweltpsychologe Thomas Brudermann erklärt: "Damals ging es jedoch nicht um die Einstellung zum Klimawandel, sondern um jene zu Giftmülldeponien; und da waren es oft die Eltern, die sich quergelegt haben. Die Sorge, dass ihre Kinder dem ausgesetzt sein könnten, hat offenbar etwas in ihnen bewirkt."

Meist werde der Effekt mittels Befragungen erforscht, die die Einstellungen von Eltern mit jenen von Kinderlosen vergleichen. Aber auch Langzeitstudien kämen zum Einsatz. Die Frage, die dabei interessant ist: Denken Menschen anders, nachdem sie Mutter oder Vater geworden sind? Insgesamt gebe es noch relativ wenige Studien zum Thema, sagt Brudermann, der Großteil komme aus den USA.

Wie kommt es dazu?

Eine Erklärung für den Green Parenthood Effect sei, dass man als Elternteil eher mit der eigenen Vergänglichkeit konfrontiert sei – "weil man die nächste Generation vor sich hat". Womöglich komme das Gefühl auf, ein gutes Vermächtnis hinterlassen zu wollen, sagt der Psychologe. "Man überlegt: Wie will ich in der eigenen Familiengeschichte aufscheinen? Will ich der Klimasünder oder der Klimaheld sein?" Auch das Gefühl einer Verantwortung für zukünftige Generationen spiele eine Rolle. 

Ist es vielleicht auch so, dass Eltern insgesamt volatiler sind und sich mehr um den Zustand der Welt sorgen? "Das ist schon möglich, denn so eine Geburt ist ein massiver Einschnitt in den Alltag. Während man sonst vielleicht in Gewohnheiten verfangen ist, ändert sich durch das erste Kind der ganze Lebensumstand. Womöglich beginnt man, Dinge stärker zu hinterfragen."

Gleichzeitig hätten frischgebackene Eltern auch weniger Zeit. Deshalb würden die Sorgen über das Klima nicht notwendigerweise zu einem umweltbewussten Verhalten führen. In einer schwedischen Studie sei sogar der gegenteilige Effekt beobachtet worden. Oft würden sich Familien beispielsweise ein Auto anschaffen, um mobiler zu sein, oder wieder mehr Fleisch essen.

Hilfe gegen die Klimaangst

Wenn man sich doch dazu entschließt, aktiv zu werden und sich für den Klimaschutz zu engagieren, könne das heilsam sein, sagt Brudermann. Es entstehe dabei ein Gefühl der sogenannten Selbstwirksamkeit. In der Fachsprache wird damit die Überzeugung bezeichnet, in schwierigen Situationen selbst etwas bewirken zu können. 

Wichtig zu betonen sei auch, dass Menschen, die vorher kein Umweltbewusstsein hatten, nicht plötzlich klimabewusst werden, nur weil sie ein Kind bekommen. "Wenn sich jemand vorher schon wenig Sorgen über Klima und Umwelt macht, ist es wenig wahrscheinlich, dass sich das durch die Elternschaft ändert", sagt der Psychologe. "Es scheint eher so zu sein, dass sich bestehende Tendenzen verstärken."

Auch interessant: Der Green Parenthood Effect lässt sich eher bei Müttern nachweisen, bei Männern seltener. Woran kann das liegen? "Die Studien liefern dazu kaum Antworten", sagt Brudermann. Eine mögliche Ursache könne sein, dass es sich um bestehende Rollenmuster handelt. "Frauen gelten gemeinhin als diejenigen, die sich um die Kinder kümmern und sich stärker um das Kindeswohl sorgen."

DER STANDARD hat eine Mutter und einen Vater befragt, die Teil der Organisation Parents for Future sind. 

"Mir tut das Engagement gut"

"Es ist nicht so, dass mir erst mit der Geburt meines Sohnes klargeworden ist, dass wir ein Problem mit der Klimakrise haben. Ich versuche schon länger, klimafreundlich zu leben, etwa indem ich mich vegetarisch ernähre. Geflogen bin ich auch schon seit mehreren Jahren nicht mehr. Rückblickend glaube ich, dass ich mich selbst beruhigen wollte, indem ich vor meiner eigenen Tür gekehrt habe. Auf eine Demo wäre ich nicht gegangen. Ich habe wohl versucht, das Thema zu verdrängen. Als mein Sohn zur Welt gekommen ist, habe ich begonnen, mich mehr damit zu beschäftigen. Mir wurde klar: Die Klimakrise wird Auswirkungen auf das Leben meines Sohnes haben.

Es war etwa zwei Monate nach Julians Geburt, als ich wieder die Zeit hatte, mich über die Welt zu informieren. Da kam ein Bericht des Weltklimarats (IPCC) heraus, über den in den Medien berichtet wurde. Aus dem Bericht ging hervor: Bei gleichbleibenden Anstrengungen droht bis zum Ende des Jahrhunderts eine globale Erderwärmung von etwa drei Grad. Das bedeutet, dass wir derzeit sehr schlecht unterwegs sind, was die Klimaschutzmaßnahmen betrifft, auch in Österreich. Mit Fortschreibung der bisherigen Maßnahmen würden wir laut Umweltbundesamt die EU-Klimaziele für 2030 klar verfehlen und erst 2050 erreichen. Die Klimaneutralität rückt damit in weite Ferne. Für die Zukunft eines jetzt noch sehr kleinen Kindes ist all das natürlich verheerend.

Mir wurde schlagartig bewusst, dass ich irgendetwas tun muss. Meine erste Überlegung war: Sollen wir als Familie noch mehr machen? Gar nicht mehr Auto fahren zum Beispiel? Ich habe angefangen, andere Leute zu missionieren, was natürlich auch nicht immer zielführend ist. Man geht ihnen damit schnell auf die Nerven. Also habe ich viel gelesen, viele Podcasts gehört, und mein Fazit war: Das Effektivste, das man aktuell machen kann, ist seine politische Stimme zu nutzen.

Stefanie Pöltl-Dienst engagiert sich für das Klima, seit sie Mutter geworden ist. Dass etwas getan werden muss, sei ihr jedoch auch zuvor schon bewusst gewesen.
Heribert Corn

Im Internet bin ich auf die Parents For Future gestoßen, und wenige Tage später war ich beim ersten Stammtisch in Wien. Wir sind viele Leute, über ganz Österreich verstreut. Wir beteiligen uns an Aktionen von Fridays For Future, zuletzt etwa an Workshops für Schulklassen zum Thema Kinderrechte und Klimaschutz. Auf Bannern fordern wir Temporeduktion im Ortsgebiet, auf Landstraßen und Autobahnen und die Energiewende. Außerdem stehen wir auch solidarisch hinter der Letzten Generation und nehmen an Protestmärschen und Blockaden teil. Wir wenden uns auch direkt an PolitikerInnen und Medien, mit offenen Briefen, Telefonaten oder Leserbriefen. Mittlerweile geht es aber nicht mehr nur um das Engagement, sondern auch darum, sich auszutauschen und unsere Ängste und Hoffnungen zu teilen.

In meinem Bekanntenkreis gibt es zwar ein Bewusstsein für das Klima, man macht sich Gedanken – dennoch wird kaum jemand aktiv. Der Grund dafür könnte sein, dass Familien mit kleinen Kindern oft schon genug gefordert sind. Mir tut das Engagement gut. Gerade wenn man Sorgen hat wegen der Klimakrise, ist es bestärkend zu sehen: Ich bin nicht der oder die Einzige, dem oder der es so geht. Indem man auf die Straße geht, entsteht außerdem das Gefühl, dass man vielleicht doch etwas verändern kann. Es fühlt sich an, als gäbe es eine aufkeimende Bewegung, die vielleicht doch noch etwas rumreißt. So war ich auch an meinem ersten Muttertag auf einem Protestmarsch für das Klima. Ich denke, jede Mutter und jeder Vater möchte bestmöglich für eine glückliche und lebenswerte Zukunft ihrer Kinder vorsorgen. Für die Zukunft meines Sohnes ist es in der aktuellen Situation, glaube ich, wichtiger, dass ich demonstriere, anstatt drei Bausparverträge abzuschließen."

Stefanie Pöltl-Dienst (35) lebt mit ihrer Familie in Maria Enzersdorf. Ihr Sohn Julian ist acht Monate alt.

"Für sein liebes Kind würde man alles tun"

"Die Motivation als Eltern, sich für das Klima zu engagieren, ist natürlich besonders hoch. Denn man sieht ja jeden Tag sein Kind, für das man alles tun möchte. Und was gäbe es für dieses Kind Wichtigeres als eine gute Zukunft? Derzeit versagen Politikerinnen und Politiker weltweit dabei, die Klimakrise einzudämmen. Bei jeder neuen Gesetzgebung wird gesagt, dass man sich bewusst sei, dass das Beschlossene im Grunde viel zu wenig ist. Dass dieses 'Viel zu wenig' von den Verantwortlichen einfach akzeptiert wird, ist völlig unverständlich. Eigentlich müsste jeder auf die Barrikaden gehen. Wir müssten aufstehen und sagen: So geht es nicht! Wir müssen doch für künftige Generationen vorsorgen!

In meiner beruflichen Karriere sind mir viele Widersprüche aufgefallen, die einfach nicht zu einer vernünftigen Zukunft führen. Damals war ich jedoch sehr in der Verleugnung, habe Umweltthemen unbewusst zur Seite geschoben. Der Moment, als ich begonnen habe umzudenken, war, als ich ein Buch gelesen habe, 'Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann'. Darin geht es um junge Menschen, die auf die Straße gehen, um für das Klima zu demonstrieren. Das hat mich sehr berührt. Ich habe mir gedacht: Die jungen Leute haben recht – wir sehen, dass es so nicht weitergehen kann, ändern aber nichts. Weil wir uns nicht die Zeit nehmen zu überlegen, wie es besser laufen könnte.

Klimaaktivismus, Parents for Future
Stefan Holly ist Teil der Bewegung Parents for Future. Er findet: Als Eltern ist die Motivation, sich zu engagieren, hoch. Schließlich geht es um die Zukunft der eigenen Kinder.
Christian Fischer

Ich habe also angefangen, mich noch stärker zur Klimakrise zu informieren. Ich wollte wissen, was sie vor allem für meinen Sohn bedeutet; welche systemischen Widerstände Klimaschutz verhindern. Gleichzeitig habe ich begonnen, mich bei den Parents for Future zu engagieren. Unsere Ziele sind die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens und globale Klimagerechtigkeit. Meinen CO2-Ausstoß zu reduzieren war nur logische Folge. Früher war ich ein begeisterter Motorradfahrer, nun habe ich ein Klimaticket und fahre in Wien viel Fahrrad, Inlineskates oder Roller. Ich esse weniger Fleisch und Milchprodukte und konsumiere insgesamt bewusster. Ich versuche dabei alle Lebensbereiche zu betrachten, muss aber immer wieder feststellen, dass die wirklich relevanten Hebel auf der politischen Ebene zu finden sind.

Bei Parents for Future sind alle möglichen Eltern, mit älteren Kindern oder kleinen Babys. Wir würden uns wünschen, mehr Menschen verschiedener sozialer Herkunft zu erreichen, sehen aber, wie schwer es ist, neben den Zwängen des Alltags noch Zeit für Aktivismus zu finden. Wir versuchen mit kreativen Aktionen, mit Klimaampeln oder als Sensenmännern und -frauen, zu punkten. Die größte Kraft entwickeln wir in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen. Zum Beispiel sind wir Teil der Lobau-bleibt-Bewegung und des Klimaprotest-Bündnisses. 

Was ich mir für unsere Kinder wünsche? Frieden und Sicherheit vor den Auswirkungen der Erderwärmung, die auf uns zukommen werden. Ich hoffe sehr, dass wir noch ein Umdenken erreichen – sonst steht uns eine Zukunft über drei Grad plus bevor, die in ihrer Form heute noch gar nicht vorstellbar ist." 

Stefan Holly (52) ist Vater eines zehnjährigen Sohnes und selbstständiger Unternehmensberater. Er lebt mit seiner Familie in Wien.