Die Idylle hatte immer schon ihre Schattenseite. Dabei scheint sie an der Oberfläche ungetrübt. Im grünen Schlosspark zwitschern die Vögel von den Kirschbäumen. Jungfamilien rudern in Leihboten über den Teich. Und am Ufer, neben der Trauerweide, macht ein Fotograf Hochzeitsfotos für ein asiatisches Ehepaar. Unter der Oberfläche aber, da lauert nicht nur in David-Lynch-Filmen das Gefährliche. Sondern auch im Schlossteich von Laxenburg.

Genau deshalb schirmen direkt vor der Franzensburg, wo Ausflügler aus Wien dieser Tage zum Freilufttheater einkehren, rote Absperrbänder die Böschung ab. Und ein Taucher mit Kunststoffhelm und schweren Stiefeln steigt aus dem Wasser und röchelt durch die Sauerstoffflasche, als wäre er Darth Vader auf Tiefseefeldzug.

Heikle Relikte

Denn im Schlosspark Laxenburg bei Wien war es nicht immer so idyllisch wie an diesem sonnigen Junitag. Im Zweiten Weltkrieg hatte die deutsche Wehrmacht hier eine Panzertruppe stationiert. Und in der Besatzungszeit lagerten am Schlossteich die Russen. "Ihre Munition", witzelt Stefan Plainer, "haben sie eher nicht wieder mitgenommen."

Ein Taucher der Firma EOD Munitionsbergung sucht im Schlossteich Laxenburg nach Kriegsrelikten
Suchen Kriegsrelikte im Schlossteich: die Munitionsberger der Firma EOD. Bald könnten sie dasselbe auch in der Ukraine tun.
Christian Fischer

Was Plainer damit meint: Im und nach dem Zweiten Weltkrieg kippten Truppen das Kriegsmaterial, das sie nicht mehr brauchten, häufig einfach in nahe Gewässer. Wo es oft jahrzehntelang vor sich hin moderte – bis es irgendwann von spezialisierten Teams geborgen wird. Dafür stehen die Autos, Geräte und Boote von Plainers Firma heute beim Teich in Laxenburg.

Die EOD Munitionsbergung mit Sitz in Asten bei Linz und Niederlassung in Wien ist die größte heimische Firma, die sich um das Räumen potenziell gefährlicher Gegenstände kümmert. Für einen Großteil des Geschäfts sorgen Kriegsrelikte in allen Winkeln des Landes. Die 2009 gegründete Firma mit mittlerweile 35 Mitarbeitern steht aber auch kurz vor einem Großauftrag aus einem aktuellen Kriegsgebiet. In Asten hat nämlich vor kurzem die ukrainische Regierung angerufen. Und es geht um die "Beseitigung von Kampfmitteln", wie es im Branchensprech heißt.

Heimische Neutralitätsdebatte

Denn in der Ukraine sollen Schritt für Schritt zehntausende Quadratkilometer Fläche entmint werden, um sie für die Zivilbevölkerung wieder sicherer zu machen. Auch, während die Kampfhandlungen durch Putins Angriffskrieg weiter andauern. In Österreich hat das Thema jüngst für politische Wellen gesorgt, als Bundespräsident Alexander Van der Bellen forderte, Österreich solle sich an der Entminung ziviler Bereiche in der Ukraine beteiligen. Die Verteidigungsministerin winkte prompt ab. Österreichische Minensucher in das Land einer Kriegspartei zu schicken, sei nicht mit der Neutralität vereinbar, sagte Klaudia Tanner (ÖVP). Denn zwischen einer humanitären und einer militärischen Entminung könne dort aktuell nicht unterschieden werden. Und außerdem seien die heimischen Minensuchgeräte ohnehin gerade auf dem Westbalkan.

Auf nochmalige Nachfrage im Heeresressort versicherte man dem STANDARD kurz darauf aber: Die Diskussion, die sich nach Van der Bellens "Vorstoß" in Medien und Öffentlichkeit entwickelte, sei ohnehin rein virtuell. Auch ganz unabhängig von der Neutralität sei für das Bundesheer nämlich gar nicht denkbar, Minensucher in die Ukraine zu schicken. Denn: Humanitäre Entminung in Kriegsgebieten, "das macht keine Armee der Welt", heißt es aus dem Ministerium.

Entminung – aber für wen?

Hintergrund: Das Heer verfügt zwar über Entminungseinheiten inklusive zugehörigen Geräts. Aber: Die Kampfmittelbeseitiger der Armee – hierzulande bei den Pionieren angesiedelt – sind ausschließlich für militärische Entminung zuständig. Soll heißen: Sie werden österreichischen Soldatinnen und Soldaten beigestellt, um im Auslandseinsatz Wege zu sichern und gegebenenfalls von Sprengkörpern freizuräumen. Für humanitäre Entminung im zivilen Bereich ist das Bundesheer dagegen nicht zuständig. Dafür sorgen private Unternehmen, oft orchestriert von NGOs.

"Dass es für das Bundesheer rein rechtlich unmöglich wäre, glaube ich aber nicht", sagt EOD-Chef Plainer. Der 39-jährige Firmengründer kennt die Dynamiken der Heeres-Entminer. Er war schließlich selbst einmal einer. Noch in seinem Präsenzdienst in Salzburg wurde er bei den Pionieren zum Minenräumer ausgebildet. Danach begann er für ein deutsches Munitionsbergungsunternehmen mit Niederlassung in Österreich zu arbeiten.

Pionier blieb Plainer aber auch nach seiner Zeit beim Heer. 2009 gründete er gemeinsam mit zwei Kollegen sein eigenes Unternehmen – und damit das erste in Österreich angesiedelte, das am heimischen Markt tätig wurde. Auch damals übrigens schon "Google-optimiert": EOD ist nämlich nicht nur der Name von Plainers Firma, sondern auch der internationale Fachbegriff für das, was sie macht: Die Abkürzung steht für "Explosive Ordnance Disposal", die englische Bezeichnung für Kampfmittelbeseitigung. Wer eine Suchmaschine mit dem Begriff bemüht, landet also auch aus dem Ausland schnell auf der Website des Betriebs aus Oberösterreich.

Putins Propaganda

Dass militärische Minenräumung durch das Bundesheer für ein Land im Krieg mit der heimischen Neutralität unvereinbar ist, steht auch für Plainer außer Zweifel. "Außer natürlich, es gäbe dafür ein Uno- oder EU-Mandat." Gehe es aber um humanitäres Entminen, etwa in einem Feld, wo keine Kampfhandlungen stattfinden, könnte sich die Lage schon wieder völlig anders darstellen.

Dass man so einen Schritt aus realpolitischen Erwägungen heraus nicht setzen will, kann der Unternehmer aber nachvollziehen. Allein schon, weil Putins Propagandamaschinerie wohl nicht lange fackeln würde, eine solche Handlung gleichsam als "Kriegseintritt Österreichs" zu framen. Für die Firma EOD kann die Zögerlichkeit im Heeresressort ohnehin nur gut sein: Je weniger staatliche Player bei der Kampfmittelbeseitigung, desto besser potenziell für die Bilanz des Unternehmens.

"Der Ritter war nicht dabei"

Aus dem Schlossteich Laxenburg hat der EOD-Taucher inzwischen ein reiches Arsenal an metallischen Gegenständen geborgen. Eine Weltkriegsbombe war noch nicht dabei. Dafür ein altes Drahtseil voller Algen. Eine halbe Coladose. Und ein Schwert. "19. Jahrhundert", sagt der Taucher. Das habe der auf Waffen spezialisierte Archäologe der Firma – ja, den gibt es tatsächlich – festgestellt. Ob man wisse, wie das Schwert in den Teich gelangt sei? "Nein", sagt einer der Munitionsberger. "Der Ritter war nicht mit dabei."

Die Entschärfung von Kriegsrelikten sei nicht so gefährlich, wie sie sich die meisten vorstellen, berichtet Firmenchef Plainer. Explodiert sei bisher noch nie eines. Und auch sonst habe es in der Firmengeschichte noch keine Unfälle bei der Bergung gegeben. "Das Gefährlichste für jeden meiner Mitarbeiter", sagt Plainer, "sind die 60.000 Autobahnkilometer, die er im Jahr fährt." (Martin Tschiderer, 26.6.2023)