Der Staatsschutz soll einen Terroranschlag auf der Regenbogenparade verhindert haben.
300.000 Menschen spazierten am Samstag über die Ringstraße oder sahen der Regenbogenparade zu.
Christian Fischer

Drei junge Männer stehen seit dem Wochenende öffentlich im Verdacht, einen Anschlag auf die Wiener Regenbogenparade geplant zu haben. Nach deren Festnahme wollen die Behörden mehr Ermittlungsrechte, DER STANDARD hat Antworten zusammengetragen.

Frage: Was ist mit den drei Verdächtigen passiert?

Antwort: Über die beiden Minderjährigen, einen 14- und einen 17-Jährigen, wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft St. Pölten am Sonntag die Untersuchungshaft verhängt. Der zuständige Haft- und Rechtsschutzrichter sah eine Gefahr zur Tatbegehung. Der 20 Jahre alte Bruder des 17-Jährigen konnte dagegen wieder nach Hause gehen, in seinem Fall sah der Richter keinen dringenden Tatverdacht.

Frage: Wie weit waren die Anschlagspläne gediehen?

Antwort: Dazu will sich Leopold Bien, Sprecher der Staatsanwaltschaft St. Pölten, nicht konkret äußern, da noch ermittelt werde. Er bestätigte aber, dass die Festnahme aufgrund von ausgetauschten Nachrichten erfolgte. Bei den Hausdurchsuchungen sichergestellte Mobiltelefone und Geräte müssen erst ausgewertet werden.

Frage: Wer sind die Verdächtigen?

Antwort: Alle sind österreichische Staatsbürger mit Verbindungen ins Ausland. Der in Wien lebende 14-Jährige hat tschetschenische Wurzeln, das Brüderpaar nach Bosnien.

Frage: Wie wurde der Staatsschutz auf sie aufmerksam?

Antwort: Offiziell durch einschlägige Postings und weitergeleitete Nachrichten.

Frage: Warum will Staatsschutzchef Omar Haijawi-Pirchner dann mehr Möglichkeiten der technischen Überwachung?

Antwort: Er argumentiert, dass die Befugnisse des Nachrichtendiensts an die moderne Kommunikation angepasst werden müssten. Derzeit können klassische Telefonate zwar abgehört werden – doch die meisten Kriminellen würden auf verschlüsselte Messenger ausweichen.

Frage: Welche Maßnahmen will Haijawi-Pirchner konkret?

Antwort: Er fordert den Zugriff auf bestimmte Apps sowie Funktionen wie das Mikrofon oder Bewegungsdaten. Er deutet damit den Einsatz eines Staatstrojaners an: Wenn mutmaßliche Straftäter über Whatsapp, Signal und Co kommunizieren, ist es für die Behörden aktuell nicht möglich, mitzuhören oder mitzulesen. Allerdings gibt es mittlerweile zahlreiche Hersteller von Überwachungssoftware. Diese verkaufen Programme, die spezifische Sicherheitslücken in diesen Programmen oder den Betriebssystemen des Smartphones ausnutzen, um via Hintertür einzudringen und die Kommunikation auszulesen.

Frage: Gibt es Kritik an diesen Bundestrojanern?

Antwort: Ein zentraler Kritikpunkt betrifft den Datenschutz. Der Verfassungsgerichtshof erklärte ein Gesetz für einen Bundestrojaner der damaligen türkis-blauen Regierung 2019 für verfassungswidrig. Die vertrauliche Nutzung von Messengern sei ein wesentlicher Bestandteil des Rechts auf Privatsphäre, eine derartige Überwachung sei ein schwerwiegender Eingriff, der nur in "äußerst engen Grenzen" zulässig wäre. Hinzu kommen grundsätzliche IT-Sicherheitsbedenken, da nicht nur heimische Behörden, sondern auch andere Staaten die jeweilige Sicherheitslücke ausnutzen könnten.

Frage: Was sagen die Parteien dazu?

Antwort: Recht Unterschiedliches. Die ÖVP verweist darauf, dass Österreich eines der letzten europäischen Länder ist, in denen es diese Möglichkeit noch nicht gibt, und will daher ein dreistufiges Genehmigungsverfahren. Die Grünen sehen die Sache anders: "Die Gefahren einer solchen Maßnahme überwiegen ihren Nutzen", erklärt eine Sprecherin. Von den Forderungen des ÖVP-geführten Innenministeriums zeigt man sich überrascht – habe sich die Partei doch zuletzt gegen die Auswertung von Chats und Mobiltelefonen gewehrt. Auch die Roten sehen das so: Man prüfe derartige Kompetenzerweiterungen "sehr kritisch, da der Erhalt der Grundrechte für uns ein hohes Gut darstellt. Ein Staatstrojaner kommt für die SPÖ dabei gar nicht infrage." Bei den Freiheitlichen hat man die Perspektive offenbar gewechselt: "Gerade angesichts des schwarz-grünen Corona-Regimes ist jeder Ruf nach einer Ausweitung von Überwachungsmaßnahmen, die in der Hand eines ÖVP-geführten Innenministeriums in die Grundrechte eingreifen, für uns mit allergrößter Skepsis zu betrachten", heißt es. Auch die Neos sehen keinen Bedarf: "Statt einer zusätzlichen Einschränkung der Freiheit braucht es mehr Ressourcen für die Behörden." (Muzayen Al-Youssef, Michael Möseneder, 19.6.2023)