Fahrradspuren werden in Kopenhagen im Straßenbau großzügig umgesetzt. Markierungen weisen den verschiedenen Verkehrsteilnehmern den Weg.
Rosa Winkler-Hermaden

Ob vor Bahnhöfen, beim Shoppingcenter, auf dem Weg zum Strand oder in den Straßen der Innenstadt: Bereist man Dänemark, stechen einem unausweichlich allerorts Fahrräder ins Auge. Die Däninnen und Dänen gelten als Fahrradenthusiasten. Sie benutzen sie für sämtliche Wege im Alltag und stehen an der Spitze, was die Attraktivierung des Radverkehrs betrifft. Die Hauptstadt Kopenhagen wird in diversen Rankings als fahrradfreundlichste Stadt der Welt genannt. Hier soll es mehr Fahrräder als Einwohner geben.

Viele Gründe also, genauer hinzusehen. Lesen Sie sieben Punkte, die sich Österreich in Sachen fahrradfreundliche Verkehrsplanung von Dänemark abschauen kann:

1. Platz fürs Radfahren

Auf dieser Straße in Aarhus haben Fahrräder mehr Platz als Autos, das ist keine Seltenheit.
Rosa Winkler-Hermaden

Was die Verkehrsplanung in Dänemark auszeichnet, ist, dass jeder Verkehrsteilnehmer seinen Platz zugewiesen bekommt. Es gibt Spuren für Radfahrer, Autofahrer und Fußgänger. Sie sind noch dazu in vielen Fällen baulich getrennt. Das trägt zur Sicherheit bei und bringt viele Vorteile mit sich: wer schon einmal am Wiener Ring unterwegs war, weiß, wie nervenaufreibend, aber auch gefährlich es sein kann, wenn sich Fußgänger und Radfahrer einen Weg teilen müssen.

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DER STANDARD

Vermieden wird durch die bauliche Trennung auch das sogenannte Dooring. Damit ist das Auffahren auf eine Autotür gemeint, die sich plötzlich öffnet. Radfahrer können dann oft nur mit viel Geschick einen Salto über die Tür vermeiden. Dooring droht dann, wenn Radfahrer aus Platzmangel zu eng an parkenden Autos vorbeimüssen. Im schlimmsten Fall sind auch noch Straßenbahnschienen verlegt, in die ein Reifen eingeklemmt werden kann. Ist der Weg für Radler gekennzeichnet und baulich getrennt, fallen diese Hindernisse weg.

2. Genug Abstellmöglichkeiten

Entlang von Hausfassaden sind Halterungen angebracht, damit das Abstellen und Absperren der Fahrräder kein Problem ist.
Rosa Winkler-Hermaden

Verlässt man den Bahnhof, ist man schon auf dem Vorplatz überwältigt vom Anblick der großen Zahl an Fahrrädern. Das Bild zieht sich durch das ganze Land. Abstellanlagen, Bügel und verschiedenste Halterungen ermöglichen es, das Fahrrad allerorts abzustellen. Das ist aus Planungssicht wichtig, denn nur, wenn man weiß, dass man am Zielort einen Parkplatz hat, macht man sich damit sorgenfrei und gerne auf den Weg.

Zu sehen gibt es in Dänemark Parkinseln auf öffentlichen Plätzen. Fahrräder werden auch entlang von Hausmauern abgestellt und an dort extra angebrachten Handläufen abgesperrt. Die Gehsteige sind tendenziell breiter als in Österreich, was das Vorbeikommen für Fußgänger trotzdem möglich macht. Besonders ins Auge stechen Parkhäuser, die ausschließlich Fahrrädern vorbehalten sind. Bei der Errichtung der Shoppingmall Fisketorvet in Kopenhagen wurden die Radfahrer beispielsweise großzügig berücksichtig. Ein blaues Tor weist den Weg zur Radgarage – nur wenige Meter vom Haupteingang entfernt.

In diesem Shoppingcenter in Kopenhagen gibt es eine eigene Fahrradgarage mit niederschwelligem Zugang.
Rosa Winkler-Hermaden

3. Akzeptanz der Verkehrsteilnehmer

Mit dem Lastenrad am berühmten Schloss Amalienborg vorbei. Die Verkehrsteilnehmer nehmen aufeinander Rücksicht.
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So unterschiedlich die Fahrräder sind, die man in Dänemark zu Gesicht bekommt (von Rennrädern über Mountainbikes bis hin zu den sogenannten Hollandrädern), so verschieden sind auch die Menschen, die sie nutzen. Zielgruppe sind nicht nur junge Studenten oder sportelnde Büroarbeiterinnen. Alle Altersklassen sind vertreten. Man hat das Gefühl, Radler werden allerorts akzeptiert.

Das Radeln quer durch alle Schichten trägt offenbar dazu bei, dass sich auch jene, die mit dem Auto unterwegs sind, in die Rolle der Fahrradfahrer versetzen können – weil sie auch zumindest zeitweise zu ihnen zu zählen sind. Bei Zebrastreifen bleiben Autofahrer stehen und lassen Radfahrern den Vorrang. Müssen sich Fahrzeuge die Straße teilen, halten die Autofahrer genug Abstand zu den Drahteselbenutzern.

Ein Blick in die Statistik zeigt, wie "normal" das Zurücklegen von Wegen mit dem Fahrrad ist. Dänen radeln im Schnitt 1,4 Kilometer am Tag. In Städten weitaus mehr: Kopenhagen führt das Ranking mit drei Kilometern am Tag an.

4. Von klein auf dabei

Kinder in Lastenrädern sind ein gewohnter Anblick in Dänemark.
Rosa Winkler-Hermaden

Dänemark setzt bei den Allerkleinsten an: Auch sie werden auf Fahrrädern von A nach B chauffiert. Klassische Kindersitze, wie sie in Österreich verbreitet sind, sieht man häufig. Noch öfter werden Cargobikes verwendet, um den Nachwuchs in Kindergarten oder Schule zu bringen. Ein Viertel aller Familien in Kopenhagen mit zwei Kindern besitzt ein solches.

Auch wenn die Kinder größer werden, macht der Fahrradboom vor ihnen nicht halt: 65 Prozent der Kinder radeln in die Schule, wenn sie zwischen einem und drei Kilometern entfernt wohnen. Rechnet man alle Kinder mit ein, sind es 44 Prozent.

Auch Schulausflüge werden mit Kinderbikes durchgeführt. Haben Sie in Österreich schon ganze Volksschulklassen gesehen, die mit dem Fahrrad unterwegs sind? In Dänemark kein ungewohnter Anblick. Statt Wandertag heißt es dort häufig Radwandertag.

5. Verkehrsmittel kombinieren

Die Fahrräder können in den Zug mitgenommen und dort fixiert werden.
Rosa Winkler-Hermaden

Ein Anreiz für viele Däninnen und Dänen, das Auto stehen zu lassen, ist die Möglichkeit, Fahrräder in Zügen günstig oder sogar gratis mitzunehmen. Plant man als Landbewohner einen Ausflug in die Stadt, kann man seine Reise wie folgt abwickeln: Mit dem Fahrrad von zu Hause bis zum Bahnhof; dort nimmt man es dann mit in den Zug; in der Stadt steigt man aus, setzt sich neuerlich aufs Fahrrad und legt die letzte Teilstrecke wieder radelnd zurück.

Schon seit 2010 dürfen Fahrräder im Regionalzugsystem in und um Kopenhagen kostenlos mitgenommen werden, das hat Wirkung gezeigt: Rund 14 Prozent aller S-Bahn-Reisenden und 20 Prozent der Kopenhagener, die mit der S-Bahn aus Kopenhagen herauspendeln, nutzen das Rad am Zielort.

Äußerst praktisch sind übrigens die Abstellvorrichtungen in den Zügen. Man klemmt den Vorderreifen des Fahrrads in den vorgesehenen Halterungen ein – und los geht die Reise.

6. Öffentlicher Raum als Um und Auf

Fassaden werden häufig begrünt. Im Frühsommer blühen die Rosen.
Rosa Winkler-Hermaden

Das können die Bewohnerinnen und Bewohner Dänemarks: sich ein schönes Umfeld schaffen, den öffentlichen Raum bespielen und für sich nutzbar machen. Beispiele gefällig? Hausfassaden werden begrünt, man lässt großzügig Rosen oder Efeu die Mauer hinaufklettern. Ein kleines Loch im Asphalt reicht, und schon beginnt das Grünzeug zu sprießen.

Vor Geschäften, in Parks oder einfach auf dem Gehsteig sind Sitzmöbel platziert, die Däninnen und Dänen bringen Tischtücher und Essen mit und verbringen einen gemütlichen Nachmittag und Abend im Freien. Und auch das viele Radfahren trägt dazu bei, dass der öffentliche Raum angenehmer und vor allem menschenfreundlicher wird.

Auch hier sei zur Veranschaulichung eine Zahl genannt: Wird ein neuer Radweg gebaut, verdoppelt sich die Zahl der Radfahrer an dieser Stelle. Das wiederum reduziert den Lärm und die Abgase.

7. Radfahren weiter gedacht

Radfahren kann hyggelig sein. Es fühlt sich jedenfalls weit besser an, als mit dem Auto im Stau zu stehen.
Rosa Winkler-Hermaden

Radfahren ist in Dänemark mehr als bloßes Fortbewegen. Es vermittelt ein Lebensgefühl. Die allermeisten Bewohnerinnen und Bewohner des Landes assoziieren mit Radfahren positive Werte wie Freiheit oder Gesundheit. Da wundert es nicht, dass es in der Hauptstadt Kopenhagen fünfmal so viele Fahrräder wie Autos gibt. Im aktuellen Ranking der lebenswertesten Städte des Economist landet Kopenhagen auf Platz zwei hinter Wien.

Den zweiten Platz gibt es für Dänemark auch im Glücksempfinden. Nur in Finnland sind die Bewohner glücklicher als in Dänemark. Österreich landet hier auf Platz elf.

Warum die Dänen zu den glücklichsten Menschen der Welt zählen? Oft wird zur Beantwortung dieser Frage das Konzept von "Hygge" genannt, das mit Gemütlichkeit oder dem Genießen der kleinen Dinge zu übersetzen ist.

Auch Fahrradfahren kann hyggelig sein. Wenn man etwa ein wohliges Gefühl dabei erfährt, am Kanal entlang zur Arbeit zu radeln – im Gegensatz zum nervenaufreibenden Feststecken im Stau mit dem Auto. (Rosa Winkler-Hermaden, 7.7.2023)