Coração Português, protugiesische Küche, Corti, Restaurantkritik
Mama der Muscheln
Das Vereinscafé des Taekwondo Centre von César Valentim (re.) birgt einen Schatz: die portugiesische Küche von Sonia Fernandes.
Foto: Gerhard Wasserbauer

César Valentim ist Trainer und Co-Betreiber des Taekwondo Centre in der Wiener Burggasse. Gleich mehrere Staatsmeisterinnen trainieren hier, darunter die österreichische, die portugiesische, die israelische und die kroatische. Der Mann ist aber auch dem guten Essen zugetan – und jenem aus seiner portugiesischen Heimat ganz besonders.

Sonia Fernandes stammt aus dem Alentejo, der kargen, bis heute bitterarmen Region im Süden Portugals. Vor elf Jahren kam sie mit ihrem Mann nach Wien, bis vor kurzem putzte sie Hotelzimmer – und begann nebenbei, ein wenig zu kochen und für die Geburtstage von Bekannten zu backen. "Kochen ist Therapie für mich", sagt Sonia, "gegen Heimweh, als Ausgleich für die Arbeit. Putzen ist nicht so schön." Ihre Gerichte, Klassiker der portugiesischen Küche wie Arroz de Pato (geschmorte Ente mit Chouriço, im Rohr mit Reis zu einem Eintopf geschmurgelt), Feijoada de Marisco (Bohneneintopf mit Meeresfrüchten) oder Bacalhau com Natas (Stockfischgratin mit Zwiebeln und Erdäpfeln) erfreuten sich in der portugiesischen Community bald solcher Beliebtheit, dass klar war: Ein Lokal muss her.

Worauf Taekwondo-Crack Valentim überlegte, wie sich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden ließe. Die Eltern der Kampfsportkinder in seinen Kursen hatten eh schon längst den Wunsch nach einem Vereinscafé geäußert, und so dauerte es nicht lange, bis Sonia hinter einer neu installierten Budel ordinieren, Sagres und Superbock ausschenken und vom Schnitzelsandwich Bifana (nicht paniert!) über allerhand Teigtascherln Rissóis (paniert!) und Pastel de Bacalhau (Stockfischkroketten der Extraklasse!) bis zu täglich frischen Torten, Kuchen und, natürlich, hausgemachten Pastéis de Nata eine ganz erstaunlich reichhaltige Palette portugiesischen Sehnsuchtsfutters bereithalten konnte.

So richtig geht dem Portugiesen das Herz aber bei den Tagestellern auf. Täglich frisch kommt da ein anderes der großen, meist mit Meeresaromen aufgeladenen Gerichte der Hausfrauen und -männerküche auf den Tisch. Carne de Porco à Alentejana zum Beispiel, ein Ragout aus Schweinernem mit reichlich Paprikapaste, Koriander, Erdäpfeln und einer guten Handvoll Venusmuscheln, die erst zum Schluss unter die köstliche Gemeinheit gehoben werden, auf dass sich die Schalen gerade eben öffnen und das Fleisch saftig, zart, herrlich bleibe. Dazu träufelt man sich Piri Piri, natürlich hausgemachtes Chili-Öl der ernsthaft gefährlichen Art darüber und ordert, sicherheitshalber, das nächste Bier.

Pastel de Bacalhau mit Paradeiser-Reis kann es anderntags aber auch, der Reis souverän bissfest in cremigem, natürlich mit Koriander parfümierten Sud, die Kroketten aufgeladen vom tiefaromatischen Wesen des Stockfischs, cremig, dicht, wahnsinnig gut. Mit ein bisserl Glück gibt’s vorneweg Oktopussalat mit Kichererbsen, Zwiebeln, Paprika, Petersil und, in Portugal unvermeidlich, noch mehr Koriander.

Kinder in Kampfmontur

Dann steht wieder Arroz de Marisco auf der Tafel, eine Art Reisfleisch von Meeresfrüchten, abermals zur Perfektion gekochter Reis, abermals mit grandiosem geschmackstiefem Sud und einem ganzen Haufen Meeresfrüchte von Garnelen über Tintenfisch bis Muscheln, garniert mit, wir sind schließlich in Wien, ein paar Chunks vom Surimi (siehe Bild). Das ist halt der Preis dafür, als Portugiese in ein Land gezogen zu sein, dessen Einwohner Meeresfruchtverzehr als dezidiert uneinheimisch abgelegt haben, was weder dem Angebot noch den Preisen guttut.

Severin Corti, Restaurantkritik, portugiesische Küche
Mama der Muscheln
Arroz de Marisco ist eine Art Reisfleisch von Meeresfrüchten, von Garnelen über Tintenfisch bis Muscheln.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Es gibt nur drei, vier Tische, es gibt regelmäßig Scharen von Kindern in voller Kampfmontur, die sich nach dem Training eine Stockfischkrokette, ein Stück Kokos-Eierkuchen (Quindin, verboten gut) oder eine Ananas-Limo greifen müssen. Es gibt César, der sein eigener bester Gast ist. Was wir daraus lernen? Dass Reservieren eine wirklich gute Idee ist. (RONDO, Severin Corti, 23.6.2023)