Bereits seit April 2022 geht die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) der Frage nach, wem das zweistöckige Chalet am Oberleitenweg 31b in Kitzbühel zuzurechnen ist. "Bis dato erfolglos", hieß es auf Anfrage vor rund zwei Wochen. Nun haben Recherchen des STANDARD mit 16 Partnermedien enthüllt: Der Kauf des Hauses wurde durch eine zypriotische Firma finanziert, die eindeutig dem sanktionierten Oligarchen Arkadi Rotenberg zuzurechnen ist.

Rotenberg zählt zum engsten Kreis des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die beiden kennen einander seit Jugendtagen. Das Chalet in Kitzbühel dürfte immer wieder Putins Tochter Maria Woronzowa zur Verfügung gestellt worden sein, sie wurde – genau wie Putin selbst – von Nachbarn und anderen vom STANDARD befragten Personen gesehen.

Grüne: Brauchen "hochspezialisierte Aufsichtsbehörde"

Für die Grünen wirft die Recherche große Fragen auf. "Es ist mir unverständlich, warum Investigativjournalist:innen die Recherchearbeit übernehmen müssen, die eigentlich staatlichen Behörden – in dem Fall dem Innenministerium – obliegen", sagt die Abgeordnete Nina Tomaselli, die Fraktionsführerin in den vergangenen U-Ausschüssen war. Der Fall mache deutlich, "dass wir in Österreich dringend eine auf Geldwäscheangelegenheiten hochspezialisierte Aufsichtsbehörde für Immobilien, Handel und Gewerbe brauchen", sagt Tomaselli.

Die Grünen wollen am Mittwoch außerdem Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) mit der Causa konfrontieren, dann tagt nämlich der Unterausschuss für Inneres. "Die DSN ist jedenfalls aufgerufen, keine weitere wertvolle Zeit zu verlieren und das höchstwahrscheinlich von Sanktionen belegte Immobilienvermögen sicherzustellen", fordert Tomaselli.

Der Abgeordnete Kai Jan Krainer (SPÖ) verlangt, dass "Treuhänder in Sanktionenfragen den wahren wirtschaftlich Berechtigten offenlegen müssen". Wenn das nicht passiere, "soll für die Behörden die in dem Fall begründete Vermutung gelten, dass ein mit Sanktionen belegter Russe der Eigentümer ist – mit der Konsequenz, dass das Vermögen eingefroren wird", so der rote Finanzsprecher.

Für Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper zeigt Österreich "generell leider sehr wenig Engagement bei der Umsetzung der EU-Sanktionen gegen Russland". Es wäre möglich, mehr und weiter zu recherchieren und zu ermitteln, sagt Krisper – "hätte die DSN ausreichend kompetente Mitarbeiter:innen dank objektiver Personalauswahl". Dass so wenig passiere, lege den Verdacht nahe, dass die Regierung "kein gesteigertes Interesse daran hat, Russland zu schaden".

Der Kauf dieses Chalets in Kitzbühel wurde vom Oligarchen Arkadi Rotenberg finanziert.
Henri-Kristian Kirspi, Delfi

Tirol: Alles richtig gemacht

Beim Land Tirol ist man sich indes keiner Versäumnisse bewusst. Bereits im Frühjahr des vergangenen Jahres seien "Daten zu Rechtserwerben an Grundstücken, bei welchen russische StaatsbürgerInnen als KäuferInnen aufgetreten sind", an die zuständigen Behörden beim Bund übermittelt worden, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Betont wird, dass man "darüber hinaus" im Rahmen der EU-Sanktionen gar "selbstständig weitere Schritte gesetzt" habe. So würden etwa russische Firmen bei Vergabeverfahren ausgeschlossen.

Für das Chalet am Oberleitenweg fühlt man sich nicht zuständig. Zu "angeführtem Fall bzw. Grundstück in der Stadt Kitzbühel gibt es seitens des Landes keine Zuständigkeit", stellt das Land klar. Man werde aber die entsprechenden Behörden, "wenn gewünscht, im Rahmen der eigenen rechtlichen Möglichkeiten selbstverständlich unterstützen".

Auch im Kitzbüheler Rathaus weist man die Verantwortung von sich. "Die Prüfung der von Ihnen aufgezeigten Umstände und Konsequenzen liegen nicht in der Kompetenz der Stadtgemeinde und des Bürgermeisters", schreibt Bürgermeister Klaus Winkler von der ÖVP dem STANDARD. Die Stadt sei nicht für den Grundverkehr zuständig.

Die Zusage zu einem persönlichen Gespräch mit dem STANDARD im Mai zog Winkler zuvor zurück. "Die im Artikel und in Ihrer E-Mail erwähnten Unterlagen und Informationen sind uns nicht bekannt." Die Stadt habe jedoch ein Verfahren wegen des Verdachts auf illegalen Freizeitwohnsitz eingeleitet. Dieses Verfahren sei derzeit im Laufen.

Dringlichkeitsantrag im Landtag angekündigt

Fakt ist: Die Verdachtslage rund um das Nobelchalet war sowohl dem Land Tirol als auch der Stadt bewusst. Bereits vor über einem Jahr wies die oppositionelle Liste Fritz mittels Landtagsanfrage und -antrag darauf hin, dass "eine millionenschwere Villa mitten in Kitzbühel mutmaßlich vom engsten Kreis um Putin erworben und genutzt wird", so Klubobmann Markus Sint. Die Villa müsse nun beschlagnahmt werden. Dass bisher nichts geschah, zeuge von "Feigheit": "So werden Sanktionen ausgehöhlt und verkommen zur Farce."

Die Causa wird den Tiroler Landtag wohl wieder beschäftigen. "Es wird aufzuklären sein, wie die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel hier das Grundverkehrsgesetz vollzogen hat", gibt der Klubobmann der Tiroler Grünen, Gebi Mair, zu Protokoll. "Wir werden dazu auch eine Landtagsanfrage einbringen."

Dominik Oberhofer, Klubobmann der Tiroler Neos, kündigt indes einen Dringlichkeitsantrag im nächsten Tiroler Landtag an. Er fordert eine Taskforce, die "die Besitztümer von sanktionierten Russen und deren Firmengeflechte genau unter die Lupe nimmt". Außerdem nimmt er den Kitzbüheler Bürgermeister in die Pflicht: "Dass Winkler beim Thema Freizeitwohnsitze immer wegschaut, ist in Tirol schon lange bekannt, aber nun wurde die rote Linie endgültig überschritten."

Und was sagt eigentlich die zuständige Behörde, das Innenministerium, dazu? Vorerst nichts – eine Beantwortung ist noch ausständig. (Maria Retter, Fabian Schmid, Timo Schober, 20.6.2023)